Brasiliens Indigene: Lulas Politik im Schatten des Bolsonarismus
Das neue brasilianische Gesetz für indigenes Land zeigt, dass die Wahl Lulas zum Präsidenten längst nicht alle Probleme löst. Global sieht man: Dem Schutz von Naturgebieten stehen mächtige Interessen gegenüber.
Das neue brasilianische Gesetz für indigenes Land zeigt, dass die Wahl Lulas zum Präsidenten längst nicht alle Probleme löst. Global sieht man: Dem Schutz von Naturgebieten stehen mächtige Interessen gegenüber.
Am Ende wählte Célia Xakriabá dramatische Worte. „Sie werden indigenes Blut an den Händen haben“, hielt die Abgeordnete der linken Partei PSOL ihren Kolleginnen und Kollegen im brasilianischen Abgeordnetenhaus vor. Es war der Dienstag vergangener Woche. Soeben hatte das Kongressunterhaus in Brasília für ein umstrittenes Gesetz gestimmt, das die Zahl geschützter indigener Territorien begrenzt – und zwar auf diejenigen, die bereits im Oktober 1988, als die brasilianische Verfassung in Kraft trat, als solche markiert waren. Mit 283 zu 155 Stimmen nahm die Kammer den Gesetzesentwurf Nummer 490 an.
Amazonasgebiet als Gradmesser
Xakriabá (33) gehört selbst dem gleichnamigen Volk an und setzte sich schon vor ihrer politischen Karriere für die Rechte indigener Brasilianer ein. Was sie und andere Aktivisten derart empörte: Das Gesetz könnte Landansprüchen von Indigenen, die zum fraglichen Zeitpunkt 1988 bereits von dort vertrieben waren oder deren Präsenz dort noch nicht offiziell bestätigt war, den Boden entziehen. Die Regierung vermag damit leichter indigenes Land zu beanspruchen und jene, die dort siedeln, vertreiben. Damit erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit von Straßenbau- und anderen Infrastrukturprojekten in sensiblen Naturgebieten ebenso wie ihre agrikulturelle Nutzung.
Ein schwerer und symbolischer Schlag ist das Gesetzesvorhaben auch für die Regierung des linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der zu Jahresbeginn seinen rechtsextremen Vorgänger Jair Bolsonaro ablöste. Den Schutz der indigenen Bevölkerung und ihrer Territorien schrieb sich Lula, der bereits von 2003 bis 2010 das Amt bekleidete, im Wahlkampf auf die Fahnen und bekräftigte dieses Vorhaben zum Amtsantritt. Es ist eines der offensichtlichsten Anzeichen dafür, dass nun ein anderer Wind weht im größten Land Südamerikas – ein Kontrapunkt zur skandalumwitterten Legislaturperiode Bolsonaros, der Umweltschutz und Landrechte gezielt kommerziellen Interessen und einer verstärkten wirtschaftlichen Ausbeutung des Regenwalds unterordnete.
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