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Die Beteiligten schweigen sich aus

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Moskauer Geologen waren an den Untersuchungen bezeichnenderweise nicht beteiligt, und ägyptische Dammbaubehörden wie sowjetische Bauleitung verharren ln Schweigen. Doch in Oppositionskreisen kennt man durch Querverbindungen zu mit Ihnen sympathisierenden Würdenträgern des Regimes die Wahrheit. Weder die sowjetischen noch die ägyptischen Techniker zogen die Erdspalten bei ihren Planungen in Betracht. Sie schlugen alle Ratschläge westlicher (darunter hauptsächlich amerikanischer und deutscher) Experten in den Wind.

Das hat jetzt wahrscheinlich weitreichende Folgen.

Der Hochstaudamm, an dem 600 sowjetische Techniker und rund 25.000 Ägypter arbeiten, ist 3600 m lang und 110 m hoch. An der Basis ist er 980 m und an der Krone 40 m breit. Der dahinter entstehende Stausee soll, bei einem Fassungsvermögen von 157 Milliarden cbm, zwischen 5 und 35 km breit und etwa 500 km lang sein. Schon der durch das Wüstenklima außerordentlich hohe Verdunstungsgrad bot ein bis heute noch nicht endgültig gelöstes Problem. Möglicherweise will man es mit einem Ölfilm auf der Wasseroberfläche versuchen, ist sich aber noch nicht klar über die etwaigen nachteiligen Auswirkungen auf die lebensnotwendige Fischerei. Zweites Problem, das prompt schon jetzt akut wurde, ist die geologische Landschaftsstruktur.

Porös und brüchig

Der Damm durchschneidet eine zwischen zwei Bergrücken liegende Talsenke. Aus dem harten Granit des einen Berges bauten die Pharaonen schon ihre Tempel und Statuen. Das Gestein des anderen war dafür zu spröde und porös. Porös und brüchig ist es auch heute noch. Das veranlaß te einige Wissenschaftler schon früher zu der Befürchtung, der Granitber’g könne womöglich den Wasserdruck nicht aushalten und nachgeben. Bisher unterblieb zwar eine solche Katastrophe. Die erwähnte internationale Expertengruppe, welche die Erdspalten im Seeboden entdeckte, ist sich aber noch nicht schlüssig, ob diese Spalten sich nicht auch erst durch den Wasserdruck von oben bildeten und folglich weitere Bodenveränderungen nicht auszuschließen sind.

Ein Bergbruch würde zu gewaltigen Überschwemmungen führen und eventuell dazu, daß sich der Nil einen neuen Verlauf sucht. Die Bodenveränderungen Im Stausee wirken sich nicht weniger nachteilig aus. Nach den Plänen sollen die zwölf Turbinen des Dammkraftwerkes ab 1970 über zwei Millionen Kilowatt Strom erzeugen. Außerdem sollen zwei Millionen Feddan Kulturland zusätzlich bewässert und dadurch die landwirtschaftliche Produktionsfläche um etwa 30 Prozent vergrößert werden. Beides hängt jedoch vom Wasserstand ab. Seit der nicht mehr steigt, verzögerte sich auch die planmäßige Agrikulturentwicklung. Sie mußte sogar teilweise gestoppt werden.

Die Reparatur der beiden bisher entdeckten Abflüsse kostet schätzungsweise 50 Millionen ägyptische Pfund, das sind rund 125 Millionen Dollar. Eine Abdichtung schließt allerdings weitere Erdrisse keineswegs aus.

Die Kairoer Behörden behandeln dieses Untersuchungsergebnis wie ein Staatsgeheimnis. Sowjetischer- seits behauptet man, die beiden Abflüsse seien in den Planungen berücksichtigt worden. Doch der Stillstand des Wasserspiegels beweist das Gegenteil.

Politische Ängste

Die Katastrophe ist, neben der CSSR-Intervention, • einer der Gründe, die gemäßigte Regimekreise und wachsende Opposition auf eine außenpolitische Neuorientierung drängen lassen. Die Regierung befürchtet, sobald der Planungsfehler bekannt werde, einen offenen Ausbruch der latenten antisowjetischen Stimmung in der Bevölkerung. Ob sie sich der Forderung beugt, aus dem sowjetischen Versagen politische Konsequenzen zu ziehen, halten Kenner der Verhältnisse für zweifelhaft. Ägypten hänge zu sehr von der Moskauer militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Hilfe ab. Es könne keinen Bruch riskieren. Präsident Abd el Nasser habe deshalb auch schon eine entscheidende Trübung des Verhältnisses zu seinem langjährigen politischen Mentor und persönlichen Freund, Präsident Tito, in Kauf genommen. Auch die Annäherungsversuche an die Bundesrepublik und die USA seinen bloße Taktik. Nur ein Regimewechsel ermögliche, so wird hinzugefügt, den von der Bevölkerungsmehrheit geforderten Kurswechsel.

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