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Alternative?

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Die Auseinandersetzung der beiden Regierungsparteien um die Fragen der Gestaltung des Budgetrahmens und um die von einem Budget ausgehenden wahrscheinlichen Wirkungen konnten knapp vor dem für die Budgeteinbringung gesetzlich festgelegten Termin beendet werden. Wer aber der Ansicht war, daß die Einigung eine solche auch in den Grundsätzen sei, mußte im Verlauf der Budgetdebatte erleben, daß die Sprecher der Koalitionsparteien durchaus verschiedene Ansichten zeigten, so daß man auch für das Budget 1961 die gleichen Auseinandersetzungen erwarten muß. Offensichtlich schien es, daß die Volkspartei zuerst für die Stabil i- s i e r u n g mittels des Budgets (durch Einsatz oder Nichteinsatz von öffentlichen Geldern) sei, die Sozialistische Partei zuvorderst im Budget eine Chance zur Sicherung der Vollbeschäftigung sehen wolle.

Nun ist das bekundete Entweder-Oder in den Auffassungen der Regierungsparteien eine falsche Alternative, eine gefährliche Vereinseitigung von Prinzipien, die je für sich richtig sind. Stabilisierung ohne Bedachtnahme auf den Grad der nationalen Beschäftigung, wie sie in unheilvoller Weise im Oesterreich der Ersten Republik praktiziert Wurde und vielleicht praktiziert werden mußte, steht ebenso im Widerspruch zum letzten Sinn der Wirtschaftspolitik, die nur auf den konkreten Menschen hingeordnet sein kann, wie eine Vollbeschäftigung, die nur um den Preis der Verschlechterung des Geldwertes erkauft werden kann.

Es sollte daher heißen: Stabilisierung und Vollbeschäftigung. Zünftige Nationalökonomen bestimmter Lehrmeinungen, in deren Lehrgebäude die menschliche Wohlfahrt keinen Platz hat, sind der Meinung, daß derlei unmöglich sei. Und ebenso sehen orthodoxe Marxisten im Geldwert eine völlig unbeachtliche Angelegenheit, ohne zu bedenken, daß sich erst über den Geldwert, der eine Widerspiegelung der Preise darstellt, das Nominaleinkommen, als ein Bündel von Geldscheinen, in Realeinkommen, in Lohngüter zu verwandeln vermag.

Dabei sollen die beiderseitigen Argumente nicht übersehen werden! Eine mit dem Güteranbot nicht abgestimmte beachtliche und massenweise Lohnerhöhung kann Anlaß für eine Geldwertverschlechterung sein und eine wohldosierte Lohnerhöhung ist geeignet, jene Kaufkraft zu schaffen, die schließlich notwendig ist, damit ein gestiegenes Warenanbot seine ihm entsprechende Nachfrage findet.

Wir sind der Meinung, daß beides gleichzeitig möglich sein müßte: Vollbeschäftigung und stabile Währung. Wenn alle Arbeitswilligen eine ihren Fähigkeiten angemessene Beschäftigung finden, können sie bei sinnvoller Lenkung des Wirtschaftsprozesses auch jene Menge an Sozialprodukt (an Gütern des Massenkonsums vor allem) erzeugen, die notwendig ist, damit die Preise der Güter des Massenkonsums einigermaßen stabil bleiben und auf diese Weise auch der Wert des Geldes gesichert ist.

Das mag nach der Theorie ein widersinniges Verlangen sein. Daß es möglich ist, beides, gutes Geld und Vollbeschäftigung, zu sichern, hat jedenfalls unsere Wirtschaftspolitik seit 1953 bewiesen, dank einer gelungenen Mischung und Abstimmung beider Prinzipien. Das sollte Experten in den Regierungsparteien ein Trost sein, wenn sie sich vom Partner durch die endgültige Gestaltung des diesjährigen Budgets übervorteilt glauben.

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