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Föderalismus

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Das bundesstaatliche Prinzip in Oesterreich ist heute auf allen Gebieten im Rückzug. Die politischen Parteien sind zentralistischer als die meisten Zweige staatlicher Verwaltung. Das Gesetzgebungsrecht der Landtage ist auf ein Minimum beschränkt: man kann beispielsweise die Landesgesetzblätter etwa eines Jahrganges in kürzester Zeit durchblättern…Nur in der Verwaltung herrscht noch echte Subsidiarität. So dringend und wünschenswert eine Verwaltungsvereinfachung ist, sollten gerade hier — etwa durch eine Verkürzung und Verstümmelung der Beschwerde- und Berufungsinstanzen — keine zu großen Experimente gemacht werden. Auf wirtschaftlichem Gebiet sehen wir, nicht zuletzt durch die Schaffung und Verpolitisie- rung der Staatsbetriebe, eine gefährliche Ballung wirtschaftlicher und politischer Macht, deren Brisanz noch gar nicht so richtig erfaßt wurde. Auf finanziellem Gebiet schließlich sind die Landtage ebenfalls weitgehend machtlos geworden und können Leute kaum noch über zehn Prozent der Budgetsumme frei verfügen. Immer mehr bürgert sich die Praxis ein, daß Bundesmittel nur gewährt werden, wenn gleichzeitig entsprechende Lardesmittel zur Verfügung stehen. Da auf die Bundesmittel keine Landesregierung verzichten kann, stellt die Budgethoheit der Landtage ebenfalls weithin eine Illusion dar.

Tragisch wird die Situation dann, wenn der bundesstaatliche Charakter durch einzelne Bundesländer selbst mißverstanden oder mißbraucht und so in Mißkredit gebracht wird. So hat auf Drängen der Bevölkerung kürzlich die „Steyrer Zeitung” die Parteiverioehrsstunden der 38 in Steyr bestehenden Behörden, Aemter und sonstigen Dienststellen zusammengestellt. Das Ergebnis ist erschütternd: Von 38 Aemtern haben 30 vollkommen unterschiedlichen Parteienverkehr: nur bei acht Stellen gibt es „Ueberschneidungen”, und nur ganze drei Behörden haben gleichen Parteienverkehr — zum Schaden der Parteien aus dem flachen Land, die gerne an einem einzigen Tag ihre Angelegenheiten in der Bezirksstadt erledigen möchten.

Groteske Kompetenzkonflikte innerhalb eines Ministeriums hat die „Betreuung” der Autobahn durch Gendarme-Ie und Polizei geschaffen Kommt man etwa aus der Richtung Enns in die Gegend von Ebelsoerg, so ist plötzlich nicht mehr di Gendarmerie für einen Unfall zuständig — sie darf hier’nur als Zeuge fungieren —, sondern die Bundespolizeidirektion Linz — das aber nur für wenige Kilometer, denn knapp hinter dem Linzer Stadtgebiet tritt wieder die Gendarmerie in ihre Rechte. Oder noch komplizierter: Fährt die Linzer Polizei im Funkstreifenwagen zu „ihrem” Autobahnabschnitt, so durchquert sie ein Gebiet, für das die Gendarmerie zuständig ist, in dem die Polizei also, wenn sie gerade zu einem Autounfall zurechtkommt, nicht in Aktion treten darf, sondern die Gendarmerie verständigen muß. Aehnliches wird sich übrigens auf anderen Abschnitten der Autobahn, so gleich in der Bannmeile von Sankt Pölten, wiederholen.

Der Föderalismus wird dann aufhören, ein „Problem” zu sein, wenn nicht nur die Bundesländer seine Verwirklichung fordern, sondern wenn Bund und Zentralstellen von der Notwendigkeit der Machtverteilung ehrlich überzeugt sind. Und er wird dann gefestigt bestehen, wenn Gemeinden, Länder und Bund nicht einfach das als für sie zuständig an sich ziehen wollen, was ihnen zweckmäßig und angenehm erscheint, sondern was durch sie gut bewältigt werden kann. Diese Abgrenzung der Aufgabengebiete wird nicht starr sein können und von Zeit zu Zeit korrigiert werden müssen, nicht so allerdings, wie heute, da grundsätzlich Vorschläge nur zu einer Ausweitung der Kompetenzen des Bundes führen und damit das innerstaatliche Gleichgewicht empfindlich gestört wird.

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