Gerhard Karner, Henning Klingen - © Foto: BMI / Karl Schobe

Innenminister Karner: "Wir dürfen keinen Millimeter weichen“

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Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über Antisemitismus in Österreich, den Dialog mit den Muslimen, das „kaputte“ Schengensystem, Klima-Aktivisten und die aktuellen Vorwürfe gegen die Volkspartei.

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Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über Antisemitismus in Österreich, den Dialog mit den Muslimen, das „kaputte“ Schengensystem, Klima-Aktivisten und die aktuellen Vorwürfe gegen die Volkspartei.

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„Wie sicher ist Österreich?“ Diese Frage bewegt viele in diesem Land. Tatsächlich nehmen die Bedrohungen immer neue Formen an: Der Terroranschlag in Wien vom 2. November 2020 hat unsere Verwundbarkeit deutlich gemacht, der russische Angriff auf die Ukraine markierte eine „Zeitenwende“ in der europäischen Sicherheitspolitik – und das Massaker der Hamas vom 7. Oktober führte dazu, dass sich Jüdinnen und Juden weltweit nicht mehr sicher fühlen. Was all das für Österreich bedeutet, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf Einladung der Pfarre Korneuburg im Gespräch mit FURCHE und Kathpress erläutert.

DIE FURCHE: Herr Innenminister, was würden Sie aktuell auf die Frage „Wie sicher ist Österreich?“ antworten?
Gerhard Karner: Ich würde sagen: Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt, aber spätestens der Terroranschlag in Wien 2020 hat gezeigt, dass wir auf keiner Insel der Seligen leben.

DIE FURCHE: Seit dem 7. Oktober werden vermehrt antisemitische Vorfälle registriert. Was tun Sie gegen diese Entwicklungen?
Karner: Der bestialische Terrorangriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung hat leider auch Auswirkungen auf Österreich. Bis heute gibt es 70 strafrechtliche Anzeigen, die der Justiz vor allem wegen antisemitischer Vorfälle zur Bewertung vorliegen. Insbesondere nach dem Anschlag in Belgien auf zwei schwedische Fußballfans haben wir die Terrorabwehrstufe von Stufe 3 auf 4 erhöht und auch ein Terrorabwehrzentrum eingerichtet, sodass wir jederzeit über ein aktuelles Lagebild verfügen. Klar war, dass wir insbesondere vor jüdischen und israelischen Einrichtungen die sichtbare Präsenz erhöhen müssen. Hier gibt es eine intensive Abstimmung mit den Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde. Im Fokus aller Maßnahmen steht der Schutz von Menschen.

DIE FURCHE: Umso irritierender war, dass es einen Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Zentralfriedhofs gab und die Israel-Flagge von der Synagoge heruntergerissen werden konnte – unbehelligt von jeder Polizei.
Karner: Die Polizei legt wie gesagt klar den Fokus auf den Schutz von Menschen. Wobei der Polizei Wien selbstverständlich auch die Sensibilität in diesen Dingen völlig bewusst ist. Deshalb hat die Polizei auch beim Gedenken an die Novemberpogrome von 9. auf 10. November die Kontrollen und die sichtbare Präsenz nochmals erhöht. So hat es in dieser Nacht keinen einzigen Vorfall gegeben. Rufe wie From the River to the Sea auf Pro-Palästinenser-Demonstrationen sind jedenfalls klare Aufrufe zur Israelvernichtung und werden von der Polizei konsequent verfolgt.

DIE FURCHE: Seit drei Jahren gibt es eine nationale Strategie gegen Antisemitismus, erst vor Kurzem wurde der zweite Umsetzungsbericht vorgelegt: Österreich bekam hier viel Lob. Ein Meilenstein war der Ankauf von Teilen des ehemaligen KZ Gusen (siehe oben). Aber lassen die aktuellen Entgleisungen nicht Zweifel aufkommen, ob all das wirklich fruchtet?
Karner: In puncto Gusen, das größte Nebenlager von Mauthausen, wurde lange diskutiert. Gemeinsam mit den Bürgermeistern und der örtlichen Bevölkerung ist es schließlich gelungen, das Areal anzukaufen, damit hier ein modernes, notwendiges Gedenken stattfinden kann. Und darauf können wir stolz sein. Gerade angesichts des jüngsten dramatischen Anstiegs an antisemitischen Vorfällen müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen und dürfen keinen Millimeter abweichen. Viele Schulen besuchen mittlerweile Mauthausen, auch in der Polizeiausbildung ist das seit vielen Jahren inkludiert. Aber es gibt eben keinen einzelnen Knopf, den man drücken kann – und dann funktioniert alles, sondern man muss an vielen Reglern drehen und die Menschen sensibilisieren.

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