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Werben für Neutralität

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Die Rüstungsanstrengungen des ständig neutralen Staates, so groß sie auch sein mögen oder sein sollen, dienen von vornherein dem SWäupt01 zweck der Abschreckung. Es ist von hohem Interesse für Österreich, die Behauptung der schweizerischen Neutralität im zweiten Weltkrieg zu verfolgen und zu sehen, wie etwa in den Jahren 1942/43 das deutsche Oberkommando der Wehrmacht eine präventive Besetzung der Schweiz erwog, wie aber nach einem geheimen Besuch Schellenbergs bei dem schweizerischen Oberbefehlshaber General Guisan in Emmental im März 1943 diese Pläne vom OKW beiseite gelegt wurden, da General Guisan offensichtlich den deutschen Abgesandten von der Kampfbereitschaft der Schweiz überzeugt hatte (siehe „TUe War and the Neutrais“, herausgegeben vom Royal Institute of International Affairs, London, 1956, S. 221/222). Die Glaubwürdigkeit der Verteidigungsanstrengungen, die Entschlossenheit, jedem Eindringling einen hohen und wenn möglich einen allzu hohen Eintrittspreis abzufordern, ist der Schild, hinter dem die Diplomatie des ständig neutralen Kleinstaates operiert. Da die bewaffnete Macht des ständig neutralen Staates nur der Abschreckung und gegebenenfalls der Verteidigung, nie aber dem Angriff dienen kann, hat die Diplomatie de ständig neutralen Staates die Chance, bei der Staatengemeinschaft einen Kredit an Vertrauen zu erwerben, der von anderen Staaten nur unter viel größeren Schwierigkeiten erworben werden kann. Da ferner die Militärmacht eines ständig neutralen Staates keiner anderen Macht oder keinem Paktsystem als Bündnispartner angeboten werden kann, wirbt die Diplomatie eines solchen Staates mit anderen Mitteln um die Freundschaft und das Wohlwollen der Mitglieder der Staatengemeinschaft: mit den Mitteln der Prinzipientreue und Verläßlichkeit. Aber gerade hierbei handelt es sich um Qualitäten, die von Diplomaten, wie Harold Nicolson, Wladimir d'Or-messon oder Pietro Quaroni, die über das Wesen der Diplomatie meditiert haben, als grundlegend für den guten Diplomaten erkannt werden. Glücklich die Länder, deren Diplomaten es leichtfallen kann, kein Mißtrauen zu erwecken.

Eine Schweizer Stimme

Im Falle der Schweiz oder Österreichs tritt als bedeutsames Element noch der Mangel einer kolonialistischen Vergangenheit hinzu. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Diplomatie, von Staat-enr die der freien Welt Zugehörig, militärisch neutral und von kolonialistischer Vergangenheit unbelastet sind, große und teils noch ungenützte Chancen offen sind. Es verdient aufmerksam notiert zu werden, daß der bedeutendste schweizerische Völkerrechtler, Prof. Paul Guggenheim, jüngst in einem bemerkenswerten Aufsatz („Neue Zürcher Zeitung“ vom 28. Oktober 1961) gerade in diesem Zusammenhang Argumente für einen künftigen Beitritt der Schweiz zur UNO aufgestellt hat. „Insbesondere die Tatsache der sich zur Aufnahme drängenden neuen Staaten in Asien und Afrika verleiht der New Yorker Welttribüne eine stets erneute Aktualität.“ Prof. Guggenheim verweist darauf, daß es für die Schweiz wünschenswert sein könnte, „diplomatische Berührungspunkte“ zum Verständnis der neutralen Haltung der Schweiz bei den neuen Nationen Asiens und Afrikas zu haben — die eben bei der UNO vorhanden sind und auch von Österreich bereits genützt werden können.

Die Unwahrscheinlichkeit einer weltweiten militärischen Auseinandersetzung bildet die große Herausforderung, die große Chance der Diplomatie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es soll hier nicht einer forcierten Vermittlerrolle oder gar Richterrolle Österreichs in der Weltpolitik das Wort geredet werden; das wäre unrealistisch und vermessen. Aber dennoch: es scheint, daß uns eine günstige Stunde geschlagen hat.

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