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Österreichisches Archiv für Kirchenrecht

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Die „österreichische Gesellschaft für Kirchenrecht“ und der Vorstand des Seminars für Kirchenrecht an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, die Herausgeber der Halbjahresschrift, deren erstes Heft uns vorliegt, haben sich das Ziel gesetzt, für die Pflege des Kirchenrechts aller Bekenntnisse ein wissenschaftliches Publikationsorgan zu schaffen, das nicht nur als Sprachrohr der Lehre dienen, sondern auch über die kirchliche Rechtspraxis orientieren soll. Sie erwarten sich davon gegenseitige Anregung und lebhafte Aussprache, wofür die Lehre die theoretische Durchdringung und die Piaxis die Vielfalt der Probleme des aktuellen Rechtslebens beisteuern soll. Die Zeitschrift, die Universitätslehrern, Juristen der kirchlichen und weltlichen Behörden, Anwälten, Notaren, Geistlichen und Laien, Inländern und Ausländern, in gleicher Weise offensteht, stimmt daher in ihrer Zielsetzung mit der der mit herausgebenden „österreichischen Gesellschaft für Kirchen-recht“ überein, über die an dieser Stelle bereits berichtet wurde'.

Der Aufbau der Zeltschrift spiegelt diese Zielsetzung deutlich wider. Ihr Inhalt gliedert sich in „Abhandlungen“, in denen die Theorie zu Worte kommt, „Beiträge und Rechtsfälle“, die vor allem der Praxis vorbehalten sind, „Neues Recht“, wodurch beide über den neuesten Stand der Rechtsentwicklung informiert werden sollen, „Zeitberichte“, die über sonstiges kirchenrechtlich interessantes Geschehen Nachricht geben, „Miszellen und Zeitschriftenschau“ und „Buchberichte“. Die letzten Abschnitte greifen naturgemäß über den engeren österreichischen Bereich hinaus und geben der Zeitschrift, dfe schon zufolge des von ihr betreuten Fachgebietes auf den Gedankenaustausch mit dem Ausland abgestellt ist, den hiefür notwendigen internationalen Rahmen.

Im vorliegenden ersten Heft schreibt R. K ö s 11 e r, der Altmeister der österreichischen Kirchenrechtswissenschaft, über „Zivilehe und katholisches Kirchenrecht“. Er weist nach, daß die Gleichsetzung des durch bloße Ziviltrauung begründeten Rechtsverhältnisses mit einem „legalis con-cubinatus“ nach gegenwärtigem kanonischem Recht nicht mehr haltbar ist; es handelt sich zwar kirchenrechtlich um eine Nichtehe, sie zeitigt aber doch kirchenrechtlich Folgen, die von denen eines Konkubinats abweichen. W. M. Plöchl nimmt zur Fraqe'der obligatorischen Ziviltrauung zweimal Stellung, einmal m der Abhandlung „Konkubinat, Gewissenehe, Zwangszivilehe, Religionsfreiheit“ und das andere Mal in den Beiträgen und Rechtsfällen, wo er über ein Urteil gemäß Paragraph 67 des Personenstandsgesetzes berichtet. Er kommt zum Ergebnis, daß jener Paragraph 67, der d,e Vornahme der religiösen Feierlichkeit einer Eheschließung vor Abschluß der Ehe vor dem Standesbeamten unter Strafe stellt, gegen das verfassungs-qesetzlich geschützte Grundrecht der Religionsfreiheit verstößt. Das Problem, das für alle Bekenntnisse von Bedeutung ist, gewinnt für die Katholiken dadurch eine besondere Schärfe, daß es sich für sie nicht um eine bloße religiöse Feierlichkeit, sondern um den Empfang eines Sakraments handelt, über die neue Verfassung der evangelischen Kirche A. und H. B. in Österreich berichtet F. Rupprecht. Damit findet die staatskirchenrechtliche und vor allem die innerkirchenrechtliche Entwicklung der evangelischen Kirche seit 191c\ erstmals eine geschlossene Darstellung. In piner bemerkenswerten, umfangreichen Abhandlung befaßt sich J. Wodka mit der Problematik und Erforschung der kirchlichen Verfassungsgeschichte. Der Verfasser bietet dabei mehr als eine Übersicht über das Schrifttum der letzten fünfundzwanzig Jahre, aus der die Probleme klarwerden, die die Forschung auf diesem Gebiet bewegen. Er legt in der Einleitung die Grundauffassung dar, daß erst das sakrale und das imperiale Clement zusammen die hierarchische Ordnung ergeben und damit die Kirche konstituieren wie Seele und Leib den Menschen. Die Fragen Geist- oder Rechtskirche, Rechts- oder Liebeskirche sind daher schief gestellt, weil es heißen muß: Geist- und Rechtskirche, Rechts-u n d Liebeskirche. Diese These findet im Mittelteil der Saidie ihre besondere Beleuchtung in einer auf den Forschungsergebnissen von L. v. Hertling aufbauenden Spezialuntersuchung des altkirchlichen Communio-Begriffes, die zetgt, wie sich aus der euchari-stischen Gemeinschaft die kirchliche ergab und diese wieder ihre Einheitsbeziehung m der communio romana fand; denn eine Kirche,

„Die österreichische Furche“, 5. Jahrgang (1949), Nr. 11, Seite 7. die mit Rom in Communio stand, stand mit der gesamten katholischen Kirche in Communio. Damit ergeben sich auch neue Gesichtspunkte für das Problem des päpstlichen Primats m der kirchlichen Urzeit.

In den Beiträgen und Rechtsfällen kommen ferner noch zu Wort: R. H ö s 1 i n g e r, dessen Ausführungen über die gemeinrechtlichen Quellen des Codex Theresianus in der von Holger besorgten Zusammenstellung der Anteil zu entnehmen ist, der dem kanonischen Recht am Zustandekommen unseres Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zukommt; L. Leitmai er, die den kirchlichen Autoritätsbegriff untersucht und dabei deutlich macht, Wie sehr das Gegengewicht zu der in der katholischen Kirche stark ausgeprägten Autorität in der naturrechtlichen Verankerung des Kirchenrechtssystems, aber auch in der Öffentlichkeit und in der weitgehenden Überlassung der Initiative an die Reditsuntergebenen liegt; F. Schwind, der in objektiver Weise die in der letzten Zeit viel diskutierte Frage der Nichtigerklärung italienischer Konkordatsehen durch österreichische Gerichte behandelt.

Der Abschnitt „Neues Recht“ gliedert sich in katholisches Kirchenrecht, untergetedt in päpstliches Recht (bearbeitet von F. A r n o 1 d) und Diözesanrecht, evangelisches Kirchenrecht und staatliches Recht (bearbeitet von W. M. Plöchl). Hervorzuheben ist die Übersicht über das neue Ehegesetz für die orientalische Kirche sowie die ausführliche Bearbeitung von Interpretationsentscheidungen und von Verordnungen, Verfügungen und Entscheidungen der Glaubens-, Sakramenten- und Studienkongregation.

Die Herausgabe einer neuen Fachzeitschrift ist heutzutage ein mutiges Unternehmen von Herausgeber und Verlag. Man muß daher der Zeilschrift, unter deren Mitarbeitern überraschenderweise das Laienelement stark überwiegt, eine weite Verbreitung vor allem bei den kirchlichen Stellen wünschen, deren Recht zu pflegen sie sich zur Aufgabe gestellt hat.

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