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Autoeinbruch wird leicht gemacht

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Der Urlaub in Polen wird immer gefährlicher. Autodiebstähle mehren sich. Bei Überfallen schaut die Polizei erst gar nicht hin.

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Der Urlaub in Polen wird immer gefährlicher. Autodiebstähle mehren sich. Bei Überfallen schaut die Polizei erst gar nicht hin.

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Nur an einem Wochenende, dem 15. August, wurden der Österreichischen Botschaft in Warschau folgende Fälle gemeldet: drei Autos wurden gestohlen, zwei österreichische Touristen, die nach Polen mit einem Auto gekommen waren, wurden an einem Autobahnparkplatz ausgeraubt und niedergeschlagen, drei weitere hat man im Zug von Wien nach Warschau ausgeraubt und geschlagen. Ein Sekretär der Österreichischen Botschaft in Warschau, dem der Diebstahl eines VW-Passats von einer Familie aus Österreich gemeldet wurde, konnte bloß sagen: „Ich fahre schon seit drei Jahren einen Passat und wundere mich immer wieder, daß er noch nicht gestohlen wurde. Aber mein ist Wagen mit einer Codekarte gesichert und wird ständig auf dem Gelände der Botschaft geparkt.“,

Die polnische Polizei nimmt zwar Anzeigen entgegen, unternimmt aber so gut wie nichts, um die Täter zu finden. Die Polizisten sind laut eigenen Angaben unterbezahlt, verdienen im Schnitt drei Millionen Zloty (etwa eineinhalbtausend Schilling) im Monat. Damit müssen sie aber sogar die Kosten für ihre Uniform bezahlen. Sie fahren meist westliche Autos wie VW Passat oder VW Transporter, die sie als Geschenke von Bürgermeistern oder Politikern bekommen haben.

Einzelne Polizeistationen sind leider nicht imstande, Versicherungsprämien für diese Autos zu bezahlen. So fährt die polnische Polizei praktisch mit unversicherten Autos. Die Kosten, die bei einem möglichen Unfall entstehen, müssen die Polizisten aus eigener Tasche begleichen.

Bei gestohlenen Autos werden nur Fahrgestellnummern kontrolliert. „Motornummern sind für uns zu umständlich“, heißt es lapidar dazu. Die meisten Beamten wissen nicht, wo diese Nummern zu finden sind, auch seien sie meist verschmutzt, und wer will sich schon auf der Straße schmutzig machen? Ansonsten sind Motoren nach polnischem Recht austauschbare Elemente des Fahrzeugs, und veränderte Motor- nummem werden nicht als Beweismittel anerkannt. Die Polizei kennt die Tricks der Diebe, wie sie zum Beispiel Karosserienummern ändern: alte Nummern werden mit einer Zinnschicht bedeckt und neue an der gleichen Stelle geprägt, oder ganze Blechteile, wo sich die Öriginalnum- mern befinden, werden ausgeschnitten und Teile mit anderen Nummern eingeschweißt. „Diese Arbeit wird so gut gemacht, daß auch Röntgenfotos nicht beweisen können, daß diese Arbeit tatsächlich nachträglich gemacht wurde“, so ein Beamter.

In öffentlichen Buchhandlungen konnte man bis vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Autoeinbruch leicht gemacht“ kaufen. Die 50.000 Exemplare starke Auflage soll in zwei Tagen vergriffen gewesen sein. So ist es kein Wunder, daß in Warschau täglich 60 Autos — vor allem teure: Mercedes, BMW, Audi und VW - gestohlen werden. Das Alter des Autos spielt keine Rolle: ältere Jahrgänge werden als Ersatzteillager benutzt.

Die Diebe werden immer frecher. Manche „arbeiten“ auf folgende Weise: sie beobachten jemanden, der gerade aus- oder einsteigen, will - oder bewegen den Wagen solange, bis sich die Alarmanlage einschaltet und der Besitzer erscheint. Dann wird dieser niedergeschlagen und Gezwungen, Autopapiere auszuhän- igen und einen Kaufvertrag zu unterschreiben. Hilferufe sind fast immer zwecklos. Denn selbst wenn sich ein Polizeiuniformträger in der I Nähe befindet, heißt das noch lange nicht, daß er ein echter Polizist ist Aus Personalmangel werden in Polen Militärdiener der Polizei zur Verfügung gestellt. Und für 200 Schilling Sold im Monat will niemand Prügel von einem Einbrecher riskieren. So ist es schon öfter vorgekommen, daß die um Hilfe gebetene Polizei vom Tatort sofort geflüchtet ist. Auch die regulären Polizisten sind nicht viel besser. Ihre liebste Beschäftigung ist Geschwindigkeitskontrolle und Abkassieren ausländischer Gäste - selbstverständlich ohne Bestätigung.

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