Pflanze Baum Wachstum - © Foto: iStock/robcruse

Alena Slezáčková: „Manche wachsen über sich hinaus“

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Pandemie, Krieg und Teuerung führten zu vermehrtem Stress und Angst. Alena Slezáčková über Strategien der Positiven Psychologie, wie man gestärkt aus schwierigen Zeiten hervorgehen kann.

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Pandemie, Krieg und Teuerung führten zu vermehrtem Stress und Angst. Alena Slezáčková über Strategien der Positiven Psychologie, wie man gestärkt aus schwierigen Zeiten hervorgehen kann.

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Es waren allzu menschliche Reaktionen, die Alena Slezáčková oft zu hören bekam: „Ich möchte es einfach vergessen und leben wie zuvor“; „Es ist schrecklich, aber ich versuche es zu verdrängen. Ändern kann ich es sowieso nicht“; „Es gibt so viele Bedrohungen; ich fürchte, es gibt keine Zukunft mehr“. – In ihrer großangelegten Studie untersuchte die tschechische Psychologieprofessorin, wie sich die Coronakrise und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Gemüts­lage ihrer Landsleute niedergeschlagen haben. Die tragischen Ereignisse in Israel und im Gazastreifen wurden da noch gar nicht miterfasst. Die Studienergebnisse, die Sle­záčko­vá jüngst beim Kongress für Positive Psychologie (PP) in Wien präsentierte, waren jedoch alles andere als deprimierend. Die FURCHE bat die Pionierin dieses Forschungsfelds anlässlich der sechsten PP-Tour zum Thema „Tomorrowmind“ ­(10.–12. November) zum Interview.

DIE FURCHE: Wie wurde eigentlich Ihr Interesse für die Positive Psychologie geweckt? Gab es da wegweisende Erfahrungen, eine Art Initialzündung?

Alena Slezáčková: Als ich mein Psychologiestudium im Jahr 1997 abschloss, hatte ich das Gefühl, dass etwas Wichtiges fehlte. An der Uni lernte man viel über psychische Defizite und Krankheiten, über Diagnostik und Behandlung – aber nichts über die Dimension des psychischen Wohlbefindens. Es gab keine Parameter, mit denen man positive Emotionen wie Freude, Glück oder Liebe in Studien überhaupt erfassen hätte können. Mit meinem Mann habe ich damals eine Reise nach Indien gemacht. Wir nahmen an Meditationskursen teil, um Achtsamkeit und eine wohlwollend-empathische Haltung zu kultivieren, und wir arbeiteten in einer wohltätigen Organisation, um obdachlose Menschen zu versorgen. Wir lernten unglaublich viel über das Leben. Als ich zurückkam, stellte sich eine große Frage: Wie kann ich diese inspirierenden Erfahrungen in meine berufliche Tätigkeit übersetzen? Zu dieser Zeit erschienen die ersten Studien aus den USA, die sich mit den positiven Qualitäten des menschlichen Geistes befassten. Da hat es einfach klick gemacht, und ich wusste: Das ist das Feld, in dem ich künftig arbeiten will.

DIE FURCHE: Sie haben dann Ihre Doktor­arbeit über „posttraumatisches Wachstum“ geschrieben – ein Thema, das nun auch bei Ihrem Vortrag in Wien zentral war. Was kann man sich darunter vorstellen?

Slezáčková: Wir verstehen darunter positive Veränderungen, die gerade aus dem Kampf mit hochgradig belastenden Lebenssituationen resultieren. Das Konzept verbindet Trauma und Hoffnung; seine Ursprünge finden sich beim österreichischen Therapeuten und KZ-Überlebenden Viktor E. Frankl, der für sein bedingungsloses „Ja zum Leben“ berühmt geworden ist. Die Art, wie der Mensch sein Schicksal mit all seinem Leiden akzeptiert, gibt ihm die Gelegenheit, einen tieferen Sinn in seinem Leben zu finden, heißt es bei Frankl. Zum Paradox des posttraumatischen Wachstums gehört, dass man aktiv und lernbereit sein sollte. Zugleich ist es ebenso wichtig, Geduld und Akzeptanz gegenüber dem zu zeigen, was man leider nicht ändern kann.

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