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Rund 30.000 Ausländer leben derzeit in Graz. Ihre Interesssen werden seit dem Vorjahr von einem „Ausländerbeirat" wahrgenommen.

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Rund 30.000 Ausländer leben derzeit in Graz. Ihre Interesssen werden seit dem Vorjahr von einem „Ausländerbeirat" wahrgenommen.

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Als erste österreichische Stadt hat Graz im Herbst des Vorjahres einen sogenannten „Ausländerbeirat" eingerichtet, seit Juni gibt es ein solches Gremium auch in Linz. Sieben gewählte Mandatare vertreten die Interessen der ausländischen Stadtbewohner beim Gemeinderat in Graz, zwölf sind es in Linz. Da diese Beiräte im Gegensatz zu manchen deutschen Bundesländern, wie zum Beispiel Hessen, bei uns noch nicht gesetzlich verankert sind, mußte die Wahl und die Anerkennung der gewählten Vertreter per Gemeinderatsbeschluß erfolgen.

In Graz stimmten nur die Freiheitlichen gegen die Einrichtung der Ausländervertretung, sie sehen darin eine Vorstufe zum Ausländerwahlrecht, das sie ablehnen. In Linz hingegen stellte sich die OVP ebenfalls gegen den rot-grünen Beschluß. Die Stimmen der ÖVP fehlen bisher auch für die Einrichtung eines solchen (iremi -ums in Salzburg, wo sich aber im benachbarten Freilassing (Bayern) bereits ein „Exilbeirat" konstituiert hat, der nun um seine Anerkennung ringt.

Solche kräfteraubenden Kämpfe mit der Stadtregierung konnte man sich in Graz sparen, bereits seit 1993 hat der dortige Magistrat Vorarbeiten für die Wahlen im November 1995 geleistet. Heute arbeiten dafür der Beirat und an die 200 verschiedene Ausländervereine für die Stadtregierung, wie der geschäftsführende Vorsitzende, Kheder Shadman, ein Kurde aus dem Iran, erzählt.

Shadman, der aufgrund seiner österreichischen Staatebürgerschaft selbst nicht für den Beirat kandidieren durfte, aber in dieser Sache schon lange politisch aktiv ist, liefert nun zum Beispiel statistisches Material über die Wohnungssituation der rund 30.000 in Graz lebenden Ausländer. An diese Daten wäre die Stadt sonst nie herangekommen, weil rund 6.000 der in Graz lebenden Ausländer gar nicht gemeldet sind. Außerdem können durch die Mithilfe der verschiedenen Kulturvereine nun auch Angaben von nicht deutsch sprechenden Mietern gesammelt werden.

Erst nach der genauen Erhebung und Analyse dieser Zahlen soll der Beirat nach Shadmans Ansicht konkrete Forderungen für die eigene Klientel stellen; obwohl die Zeit drängt. Denn viele ausländische Mitbürger hatten sich vor der Wahl große Hoffnungen auf eine rasche Lösung der Wohnungsmisere und der Probleme mit den oft rechtlich unklaren Beschäftigungsverhältnissen gemacht. Probleme, die allerdings weit über den Kompetenzbereich des Gemein derates hinausreichen. Auf Vorschlag des Beirates hat dieser daher bereits eine Petition an die Bundesregierung verabschiedet, endlich für einheitliche Regelungen im Ausländerbe-schäftigungs- und Aufenthaltsrecht zu sorgen.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des Beirates, der unter dem Vorsitz des Nigerianers Fred Ohenhen aus drei Kurden aus der Türkei, einem Kroaten, einem Bosnier und einem Vertreter der Anatolischen Liste/Türkei besteht, ist die Verankerung des Ausländerbeirates im Landesgesetz. „Natürlich würden wir uns über ein allgemeines Gesetz, das solche Beiräte für alle steirischen Gemeinden vorsieht, als politisches Bekenntnis freuen", erläutert Geschäftsführer Shad-man. Er gibt aber zu erkennen, daß man auch mit den ersten positiven Signalen des Landes, den Beirat zumindest im Statut von Graz per Landtagsbeschluß abzusichern, zufrieden ist. Bis 1999, wenn die nächste AVahl des Grazer Beirates bevorsteht, könnten diese Wahlen dann ganz offiziell stattfinden, mit ordentlichen Wahllisten, die auch die Zusendung einer Wahlverständigungskarte ermöglicht. Denn wie die Erfahrungen aus Linz und Graz zeigen, bleibt die Wahlbeteiligung ohne diese Maßnahmen relativ gering, um die zehn Prozent.

Damit die Ausländerbeiräte auch auf Bundesebene politisch wahrgenommen werden, bedarf es weiterer Landeshauptstädte, die ihre ausländischen Bürger zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit einladen. Diese könnten dann; wie in Deutschland üblich, in überregionalen Fragen eng kooperieren, etwa wenn es darum geht, das kommunale Wahlrecht für Ausländer durchzusetzen. Doch Kheder Shadman, der mit einer Oststeire-rin verheiratet und Vater zweier Kinder ist, weiß aus eigener Erfahrung, daß die rechtliche Gleichstellung mit den Österreichern nur ein Schritt in Bichtung eines harmonischen Zusammenlebens ;st: Das Gefühl, voll und ganz als Mitbürger akzeptiert zu sein, müsse von Menschen, nicht von Gesetzen allein gegeben werden. Denn, „wenn Österreicher entscheiden, ob sie zu einem Ausländer in der Straßenbahn freundlich sein sollen oder nicht, fragen sie nicht zuerst nach dessen Beisepaß".

Der Autor ist freier Journalist in Graz.

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