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Wirtschaftspolitik für Menschen

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Rückblick und Vorschau zur Jahreswende sind in gewissem Sinne auch immer Rechenschaftsberichte. Wenn ich im folgenden einige Gedanken zur österreichischen Wirtschaftspolitik aussprechen soll, so kann mit Rücksicht auf den gegebenen Rahmen natürlich nur von einigen wenigen Problemen die Rede sein.

Zunächst einmal ist daran zu erinnern, daß das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau mit dem Bundesgesetz vom 24. April 1963 durch die Übernahme der Agenden der Außenwirtschaftspolitik eine bedeutende Erweiterung seines Ressortbereiches erfahren hat. Dazu sei von der Verwaltungsseite her neuerlich meine Auffassung wiederholt, daß der Kompetenzbereich dieses Bundesministeriums, das nun, abgesehen von der Landwirtschaft und der Energiewirtschaft, alle Wirtschaftskompetenzen und das bundesstaatliche Bauwesen zu verantworten hat, zu groß ist, weil es für den Ressortminister einfach unmöglich ist, sowohl die weitverzweigte Wirtschaftskompetenz als auch die bis ins Detail gehende Baukompetenz noch zu überblicken. Die Übertragung der Baukompetenzen an einen Staatssekretär gemäß Artikel 78 (2) der Bundesverfassung stellt gewiß eine sehr wertvolle Hilfe und Erleichterung dar, ändert aber nichts an der in der Bundesverfassung verankerten Verantwortlichkeit des Bundesministers. Die Teilung des Ressorts in ein Wirtschaftsressort und ein Bauressort wird daher von mir nach wie vor befürwortet. Ich kann dies um so eher tun, als die von mir anläßlich der Regierungsbildung in diesem Jahr vorgeschlagene technische Einrichtung der beiden Ressorts keine Vermehrung der Verwaltungsagenden bzw. des Personalstandes bedeutet hätte. Man wird sich mit diesem Problem also weiterhin befassen müssen,, zumal, wenn man bedenkt, daß die Agenden des Bundesministeriums allein in der Außenwirtschaftspolitik durch die Entwicklung der österreichischen Integrationsbemühungen weitaus umfangreicher geworden sind, als sie es früher gewesen waren.

Die allgemeine Tendenz der wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich war in diesem Jahr durch eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem sehr hohen Niveau der Jahre 1961/62 gekennzeichnet. Die von mancher Seite zur Jahreswende 1962/63 befürchtete wirtschaftliche Rezession ist nicht eingetreten. Ein gewisser Stillstand auf einem erreichten Niveau ist keine Rezession! Wohl aber gab es insoferne einige Veränderungen, als sich z. B. das Außen- handelspassivum neuerlich erhöht hat, während die Investitionsrate zurückgegangen ist. Der hohe Standard in Österreich machte einen verstärkten Import, vor allem von Konsumgütern, erforderlich, der nicht in gleicher Weise durch einen erhöhten Export ausgeglichen werden konnte. Wenn uns diese Entwicklung bei den hohen Gold- und Devisenreserven der Nationalbank gegenwärtig auch keine unmittelbare Sorge bereiten muß, so darf sie dennoch nicht übersehen werden. Dies um so weniger, als auch die erfreuliche Steigerung des Fremdenverkehrs trotz der Zunahme der Ausländerübernachtungen um 6 Prozent (Vergleich der ersten neun Monate 1962 gegenüber 1963) in den nächsten Jahren nicht mehr in demselben Ausmaße erwartet werden darf; die Unterkunftskapazität ist während der beiden Fremdenverkehrszeiten im Sommer und Winter ausgelastet, und der Ausdehnung des Reiseverkehrs auf die übrige Jahreszeit sind begreiflicherweise enge Grenzen gesteckt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Devisenabfluß durch den österreichischen Reiseverkehr nach dem Ausland ständig zunimmt.

Beim Fremdenverkehr ist außerdem ein neues Problem auf getreten: Es ist der Rückgang auf dem Verpflegungssektor, der durch die Unrentabilität vieler Gaststätten- und Restaurationsbetriebe bedingt ist. Daß es während der Saisonspitzen für den ausländischen Gast heute oft schon schwierig ist, sich mit regelmäßigen Mahlzeiten in den Gaststätten zu versorgen, ist zur Genüge bekannt. Man wird daher den Restaurationsund Gaststättenbetrieben, die heute vor allem mit einer sehr hohen Lohnquote belastet sind, in verstärktem Masse Erleichterungen und Anreiz zu bieten haben. Hierhin zielen z. B. die Bestrebungen nach einer Umsatzsteuererleichterung für Küchenbetriebe.

Die Bemühungen des Bundesministeriums waren im Hinblick auf die Entwicklung der Handelsbilanz zunächst besonders auf den Ausbau der bilateralen Handelsbeziehungen gerichtet. Abschluß, Verlängerung und Modifizierung von Handelsverträgen sind das Instrument hierfür und stellten an die Beamtenschaft der zuständigen Sektion größte personelle Anforderung. Diese Tätigkeit des Bundesministeriums wurde durch die Aktionen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, vor allem im internationalen Messe- und Ausstellungswesen, stark unterstützt. Mit Befriedigung kann man immer wieder feststellen, daß nach der Veranstaltung einer „Österreichwoche“ eine Zunahme des Handelsverkehrs mit dem betreffenden Land eintritt.

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