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Wolken Uber Bayern

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Die Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel vor dem bayrischen Landtag hat einen Schock im Land erzeugt. Die dramatischen Auseinandersetzungen in Bonn über die rapid sich verschlechternde Haushaltslage und die unverkennbare Rezession haben auch innerhalb der weißblauen Grenzpfähle ihren Niederschlag gefunden. Die noch im Wahlkampf des November gezeigte Hochstimmung, die weitgesteckten Ziele, die allgemeine Zuversicht sind einer bitteren Ernüchterung gewichen. Wie kam es dazu?

Die entscheidende Ursache ist in der völlig neuartigen wirtschaftlichen Lage zu sehen., neuartig, weil sie einen beispiellosen Aufschwung — beispiellos namentlich angesichts eines vernichtend verlorenen Krieges — abrupt beendete. Schrumpfende Auftragseingänge, gesunkene Investitionsneigunig und Geldknappheit sind die Kennzeichen der jetzigen Situation. Die Überbeschäftigung ist zu Ende — ein Prozeß, der durchaus begrüßenswert ist. Indessen ist die Arbeitslosenzahl beträchtlich gestiegen, mehr als erwartet. Allein in Bayern betrug sie Mitte Jänner 165.000, das sind 4,6 Prozent der Berufstätigen; nach dem internationalen Sprachschema, das bei 4 Prozent die Vollbeschäftigung noch gewahrt sieht, ist das Land also bereits in einem Stadium, in welchem die für die moderne Gesellschaftspolitik so geheiligte Vollbeschäftigung nicht mehr besteht.

Dabei ist die Lage in Bayern immer noch besser als im Ruhrgebiet: Eine strukturelle Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Im Gegenteil gilt Bayern als Zentrum des gutgegliederten, zukunftsträchtigen Gebietes, dem auch von unabhängigen Fachleuten hervorragende Entfaltungsmöglichkeiten zugesprochen werden. Tatsächlich sind Industrieproduktion und Sozialprodukt — wie Goppel betonte — auch 1966 noch um 2 Prozent gestiegen — mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Exporte haben sogar eine Rekordhöhe erreicht. Erstmals haben sich aber, hauptsächlich im letzten Quartal 1966, die Steuereinnahmen nicht mehr erhöht. Die Vorausschau für die nächsten Jahre ist deshalb in Moll gestimmt, und der Minister-

Präsident meinte sogar, von vier dürren Jahren sprechen zu müssen. Die Konsequenzen sind denn auch betrüblich genug: Von einem Gesamthaushalt Bayerns in Höhe von voraussichtlich 8,75 Milliarden Mark (zirka 52 Milliarden Schilling) verbleiben nur noch etwa 600 Millionen Mark für freiwillige Leistungen — alles andere ist durch Pflichtausgaben des Staates festgelegt. Anders ausgedrückt: um die großen Aufgaben, wie die Raumordnung und die Bildungsoffensive, durchzuführen, fehlen die dafür erforderlichen gewaltigen Summen!

Trotzdem sollen die größten Aufgaben weitergeführt werden. Auf wirtschaftlichem Sektor wird die höchst erfolgreiche Energiepolitik weiter ausgebaut Nachdem Bayern mit Ölleitungen und -Verarbeitungskapazitäten ausreichend versorgt ist, soll das Erdgas in großem Maße in die Wirtschaft und den privaten Haushalt eingeführt werden — nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, eine Abhängigkeit von den internationalen ölkonzernen zu vermeiden. Der Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals, der für ganz Europa von außerordentlicher Bedeutung ist, wird planmäßig vorangetrieben. Bis 1970 wird Nürnberg erreicht. Das letzte und schwierigste Teilstück zwischen der fränkischen Metropole und Regensburg soll in den achtziger Jahren vollendet werden, eine Tat von wahrhaft europäischer Größe, die den Handel besonders der Donau- und Rheinländer nachhaltig beeinflussen wird.

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