Die Auferstehung der Österreicher

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Aus der 9. von "10 Visionen zur Osternacht", mit denen zwei evangelische Prediger den mittelalterlichen Brauch des "Osterlachens" heutig machen.

Orgelvorspiel: Felix Mendelssohn-Bartholdy, Orgelsonate op. 65/1, Allegro assai vivace

Die Kuratorin einer Wiener evangelischen Innenstadtgemeinde:

Liebe Gäste!

Die Botschaft dieser Nacht hat traditionellerweise etwas mit Tod und Auferstehung zu tun. Wer es genau wissen will, muss zu den Fachleuten gehen. Was den Tod anlangt, so gehen wir aber nicht zu den Ärzten und Pfarrern, sondern zu den Totengräbern. Das sind originelle, gemütlich-unheimliche Menschen, die ein Leben unter Toten führen - mit Verwesung als Parfüm.

Ist mit dem Tod alles aus? Ein Totengräber hat es mir erklärt: "Mir lassen den Sarg obe und Schluss basta. An Kolleg'n hamma genau so beerdigt. Mir kumman alle dran. Mir bleib'n nicht über. Wias im alten Sprichwort haßt: Wer andern eine Grube gräbt, fallt selbst hinein. Von uns san no alle in da Erd drin."

Der Totengräber passt auf, dass alle scheen ordentlich in der Erd lieg'n - wie die Rosinen in einem Kuchen. Der Tote hat nur die Möglichkeit, als a Toter dem Friedhof zu entkommen, nämlich - sagt der Totengräber: "Außer mir graben's aus!"

Hier bekommt der Beruf des Totengräbers eine göttliche Dimension.Wenn er net die Leichen ausgrabt, bleiben's ewig da drin in der Erd'n.

Ich habe eine Vision: Christus als Totengräber, der am jüngsten Tag alle Totengräber ausgrabt, damit sie auferstehen können. Und dann werden die Totengräber alle andern ausgraben. Auch die Auferstehung braucht eben ihr Personal.

Man muss halt die Wiener Dogmatik konsequent weiterdenken. A scheene Leich ist zu wenig - wir zwa wünschen uns dazua "a scheene Auferstehung". Zuerst a würdige Enterdigung, die sich g'waschen hat; und dann - wie gesagt: a scheene Auferstehung mit alle Schikanen.

Es ist eigentlich a Schand' für die ganze Christenheit: Da gemma auf an "Milliardenevent" zua - und ka Mensch plant: ka UNO, ka EU, ka Kirchn, schon gar net der fromme amerikanische Präsident George Bush.

"Die schöne Leich" ist bei uns in Wien seit langem sprichwörtlich - aber können sich die Wiener und Wienerinnen auch "eine schöne Auferstehung" vorstellen? Wenn auch "die schöne Auferstehung" typisch für Wien werden könnte, das wär' doch was.

Aber wenn schon ein leibhaftiger kreativer Oberkirchenrat heut Nacht bei uns ist, dann könnte ich ihn ja eigentlich fragen, ob der Evangelische Oberkirchenrat A.u.H.B vielleicht gar die "schöne Auferstehung" vorbereitet?

Der kreative Oberkirchenrat

Es liegt vor ein Entwurf für eine schöne Auferstehung. Das Motto stammt von Georg Kreisler: "Der Tag wird kommen, wo die Leute ganz von selber Halleluja schreien."

Die schöne Auferstehung beginnt mit einem Konzert unter freiem Himmel, Posaunen, Tuben und Trompeten, so schwungvoll, dass es niemanden auf den Plätzen hält. Dann wird keine Parte mit Trauerrand ausgeschickt, sondern ein bisher unerhörter Klingelton, der nicht aufs Handy heruntergeladen werden kann, ertönt und ruft alle persönlich zur Auferstehung. Statt Pompfüneberer mit schweren Schritten langsam und gemessen nachzugehen, bewegen sich alle leicht und beschwingt, und niemand wird mehr auf den Zeh getreten, schon gar nicht auf den Schlips, weil es keine Bekleidungsvorschriften mehr gibt und Krawattenknoten ein Kinderspiel geworden sind. Selbst schwarze Kleidung erscheint fröhlich und braucht keinen bunten Aufputz mehr. Die Kränze sind durch lebende Blumen ersetzt.

Dann kommt kein Nachruf, sondern eine Vorhersage für jeden und jede ganz persönlich.

Alle können alles werden, weil sie es schon sind.

Sie sind es, weil an jenem Tag Gott selbst alles in allem sein wird.

Wo es früher den Erdwurf gab, ist jetzt dreimal der liturgische Luftsprung vorgesehen.

Und alle stimmen ein in das Lob:

Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen, lasst die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König! Lobsinge du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe! Dies ist die Nacht, in der Gott uns bewahrt, uns befreit aus dem Sklavenhaus in Ägypten, uns führt auf trockenem Pfad durch die Fluten des Meeres. Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe des Todes als Sieger emporstieg. Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren, und umsonst wären wir gestorben, hätte uns nicht der Erlöser gerettet.

Lieber Gott, wann ich einmal tot bin, dann wünsch ich mir eine schöne Auferstehung!

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