Emotional bewegende Atmosphären

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Man kann auch mit zeitgenössischem Musiktheater Erfolg haben, wie die letzte Staatsopernpremiere dieser Saison mit der Shakespeare-Adaption "The Tempest" von Thomas Adès bewies.

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Man kann auch mit zeitgenössischem Musiktheater Erfolg haben, wie die letzte Staatsopernpremiere dieser Saison mit der Shakespeare-Adaption "The Tempest" von Thomas Adès bewies.

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Zahlreiche Librettisten und Komponisten haben sich, in unterschiedlichster Art, an Shakespeare versucht. Bedarf es da noch einer weiteren Auseinandersetzung mit einem seiner Stoffe, etwa seinem Spätwerk "The Tempest"? Thomas Adès, der aus London stammende, hier und bei György Kurtág ausgebildete Komponist, hat sich einer solchen Herausforderung gestellt und eine neue "Sturm"-Oper kreiert. Frei nach Shakespeares Drama hat ihm die australische Dramatikerin Meredith Oakes das Libretto für eine dreiaktige Oper mit dem Titel "The Tempest" geschrieben, damit die Grundlage für ein weltweites Erfolgsstück.

Schon die Uraufführung im Februar 2004 am Königlichen Londoner Opernhaus Covent Garden, das dieses Werk in Auftrag gegeben hatte, wurde bejubelt. Zwei Jahre später fand die amerikanische Erstaufführung in Santa Fe statt. 2010 war der Dreiakter erstmals an einem deutschen Opernhaus, in Frankfurt, zu sehen, 2012 in Québec und an der New Yorker "Met" in einer Produktion, die mit der Wiener Staatsoper realisiert wurde und nun auch deren Spielplan ziert. Wie lange, kommt wohl darauf an, wie sehr diese Novität Interesse erweckt. Hier lässt sich optimistisch sein.

Kunstvolle Musik

Wer sich von einem Stück zeitgenössischen Musiktheaters ein sperriges Werk erwartet, eine mehr konstruierte als emotional bewegende Musik, wird eines Besseren belehrt. Adès schreibt äußert kunstvolle Musik, lässt sich von Monteverdi bis hin zu den großen Opernwerken Brittens inspirieren, ohne aber irgendeinem Epigonalismus zu huldigen. Vielmehr kreiert er aus diesen Anregungen eine Vielzahl differenzierter wie eingängiger Atmosphären, die - wie auch in "The Tempest" - ein Sujet mehr kommentieren und illustrieren, denn dieses musikalisch umsetzen. Dabei geht es ihm weniger um eine Botschaft, als darum zu bewegen.

Was ihm hier auch deswegen so glückt, weil er sich mit dem fantasievollen Kanadier Robert Lepage und seinem die modernsten Videotechniken virtuos beherrschenden Team ideale Inszenatoren ausgesucht hat. Allein die Idee, die Geschichte um den von seinem Bruder Sebastian (rollendeckend David Pershall) um den Herzogsthron von Mailand gebrachten Prospero, den er mit Hilfe des Königs von Neapel (souverän: Herbert Lippert) samt seiner Tochter Miranda auf eine ferne Insel transferieren lässt, vor der Kulisse des Zuschauerraums der Mailänder Scala (Bühne: Jasmine Catudal) spielen zu lassen, ist eine Pointe für sich. Erst recht, dass dieses Bild zur Metapher für die Magie dieses Sujets wird, das nichts anderes als den Wandel des Menschen, sein Reifen am persönlichen Schicksal, aber auch die Größe zum Vergeben zum Inhalt hat. Und ebenso - wie Lepages symbolbefrachtete, alleine schon durch ihre Kostüme (Kym Barrett) glänzend den Charakter der einzelnen Personen zeichnende Inszenierung zeigt - eine gehörige Portion Kolonialismuskritik beinhaltet. Dem Prospero Adrian Eröd nimmt man die Rolle des alle beherrschenden Impresarios nicht ganz ab. Dafür brilliert Audrey Luna in der luftigste Stimmhöhen ansteuernden Rolle des Ariel, ist Thomas Ebenstein ein herausragender Caliban, gibt Stephanie Houtzeel eine makellose Miranda, die schließlich ihren Vater Prospero überzeugen kann, dass nur Neapels Königssohn Ferdinand (Pavel Kolgatin) für sie in Frage kommt. Untadelig die übrigen Protagonisten, der präzise auf seine komplexe Aufgabe vorbereitete Chor und das sich unter der exzellenten Leitung des Komponisten hörbar wohl fühlende, bestens gestimmte Orchester.

The Tempest

Staatsoper, 21., 24., 27. Juni

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