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Pleitegeier über dem Kino

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In den USA entwickelt sich augenblicklich die Produktionssituation der Filmwirtschaft katastrophal. Geplante Fusionen können nicht stattfinden, weil die Aktien der zu fusionierenden Firmen ungleich gefallen sind. Der Pleitegeier schwebt über Hollywood.

Dies hat nun gar nichts damit zu tun, daß etwa MGM seine Requisiten versteigert und sich damit eine weltweite, zum Teil recht unterhaltsame Publicity sichert, sondern vielmehr damit, daß sich MGM in England fusionieren muß mit EMI, daß ein Studio aufgegeben wird, daß unzählige Projekte vieler Firmen, die in der Vorarbeit steckten, abgebrochen wurden und daß für 1970 vielleicht einschließlich der Koproduktionen an die 50 oder 60 amerikanische Filme erwartet werden. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem auch für die nächste Saison kaum mehr als 70 bis 80 italienische und 50 bis 60 französische Filme zur Verfügung stehen werden.

Der internationale Film holt auf

Es ist nun keine Frage, daß in diese entstehende Lücke andere Filmnationen nachstoßen werden. Der indische und japanische Film etwa. Andere Länder aber werden versuchen, mit Filmen, die dort ja billig hergestellt werden können, weil keinerlei Weltstargagen bezahlt werden, vorzudringen. Man kann hiebei genauso an Mexiko wie an Brasilien, an Argentinien oder Spanien, ja sogar an einzelne afrikanische Staaten denken. Ob diese Filme allerdings das Publikum eher wieder in das Lichtspieltheater bringen als die heute gängige Ware, sei dahingestellt.

Die Flucht der Filmwirtschaft, insbesondere in deutschsprachigen Landen, in die Sexwelle hat eine Zeit hindurch Kassenvorteile gebracht. Die ablaufende Saison jedoch beweist, daß diese Welle an einem sehr sandig gewordenen Ufer ausgerollt ist. Daran ändern nichts die noch sehr guten Einspielergebnisse etwa von Kolle-Filmen.

Eine Weiterfahrt auf dem Sexgeleise müßte bedeuten, daß weitere Tabus zu Fall gebracht werden. Und hier erhebt sich die Frage: Welche, bitte? Es gibt genügend Filme, in denen man schon mit nichts mehr zurückhält. Also wo soll eine Steigerung noch herkommen?

Jene Theaterbesitzer, die in den letzten zwei Jahren meinten, die Kinos müssen schließen, werden bedauerlicherweise in sehr kurzer Zeit ihre Ansichten revidieren müssen. Bedauerlicherweise deshalb, weil jedes geschlossene Kino ebenso wie jeder Verleih, der in Ausgleich oder in Konkurs geht oder auch nur sein Angebot überaus stark reduzieren muß, die gesamte Filmwirtschaft trifft.

Nun hat Bundeskanzler Dr. Kreisky in seiner Regierungserklärung die Schaffung eines Filmförderungsgesetzes angekündigt. Hingegen aber ist im Entwurf des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Kultur bei der Aufzählung der einzelnen kulturellen Paktoren, die auf Grund dieses Kompetenzgesetzes in ein neues Ministerium kommen sollen, der Film mit keinem Wort erwähnt. Er gehört also zur Kunstsektion. ^ Kann man also mit gutem Recht von der jetzigen Regierung erwarten, daß sie ein Filmförderungsgesetz im Parlament einbringt, und wenn ja, wird dann nicht die gemeinsame Opposition, also die parlamentarische Mehrheit — aus egal welchen Gründen — dagegenstimmen? Würde man eine Filmförderung dorthin legen, wohin sie gehört, nämlich ins Handelsministerium, um den Film in seiner Gesamtheit zu erfassen und nicht nur den kulturell wertvollen, dann dürfte es innenpolitisch noch mehr Schwierigkeiten geben, weil man auch noch die Kulturverantwortlichen aller Parteien gegen sich hätte.

Denn wenn der Staat schon für etwas Geld ausgeben soll, dann müsse es eben künstlerisch wertvoll sein. Die Chancen, die man sich auf Grund der Regierungserklärung Dr. Kreis-kys und auch verschiedener privater Gespräche führender Filmwdrtschaft-ler mit dem Bundeskanzler ausrechnen konnte oder durfte, sind also schon in der Vorlage des Kompetenzgesetzes um ein Wesentliches geringer geworden.

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