Fortschritt im Retourgang gibt es nicht

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Der streitbare, ideologisch schillernde Publizist Theo Faulhaber beschreibt in seinem neuesten Buch in düsteren Farben den Niedergang Europas infolge von Islamisierung sowie allgemeinem Identitäts- und Werteverlust: eine wohl berechtigte, aber doch einseitige Mahnung.

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Der streitbare, ideologisch schillernde Publizist Theo Faulhaber beschreibt in seinem neuesten Buch in düsteren Farben den Niedergang Europas infolge von Islamisierung sowie allgemeinem Identitäts- und Werteverlust: eine wohl berechtigte, aber doch einseitige Mahnung.

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Europa wird wie einst Laokoon von Mörderschlangen erdrückt. Vage Hoffnung: dass wir in letzter Minute den Rückwärtsgang einschalten. Das ist die Botschaft eines konservativen Buchautors, der ein Leben lang seriös geforscht, geurteilt und geschrieben hat. "Abschied von Europa" heißt sein Werk, das in düsteren Farben ("Tanz auf der Titanic","finis Europae") jüngste Entwicklungen beschreibt: "Das Europa, das wir bisher kennen, wird bald verschwunden sein."

Theo Faulhaber illustriert das "Zeitalter der Verluste", in dem wir schon leben, mit vielen Beispielen: Verlust des Maßes und der Mitte, Verlust an Bindung, an Gemeinschaft, an Natur, an Stille, an Bildung, Geschichtsbewusstsein, Menschlichkeit, Qualität, an Vertrauen, Sprache und Identität, Verlust des Glaubens und der Geistigkeit. Dazu kommen noch Krisen, Kriege, schwindendes Umweltbewusstsein ("Die Erde wird wieder wüst und leer"), Verlust an Innerlichkeit, Verachtung von Transzendenz, entfesselter Tanz ums Goldene Kalb.

Bei vielen anderen Autoren könnte man eine solche Schilderung als ideologisch aufgeheizten Pessimismus abtun. Aber der Sozialwissenschaftler und freie Publizist Faulhaber ist kein oberflächlicher Schwärmer und schon gar nicht ein populistischer Agitator vom äußersten rechten Gesellschaftsrand. Er räumt ein, dass es zu den meisten Thesen auch Ausnahmen gibt, dass Objektivität in der Darstellung "nur asymptotisch zu erreichen" ist, dass sich jeder Kritiker irren kann. Aber auch, dass er eingangs zugibt, er spreche von ganz Europa, beziehe das Anschauungsmaterial aber aus dem "deutschsprachigen Kulturraum" Deutschland, Österreich und der Schweiz, schwächt einigermaßen die ganze Argumentation. Vom mischsprachigen Alltags-"Denglisch" kann man den Untergang Europas wirklich nicht ableiten, und der "Little Drummer Boy" als Konkurrenz zu "Stille Nacht" beweist nicht, die Deutschsprachigen wollten in Themen- und Sprachwahl "an den Moslems gutmachen, was sie an den Juden verbrochen haben".

"Sozialliberalreformkonservativökologisch"

Sucht man in diesem Buch die Hauptursache für viele Verfallserscheinungen, wird man rasch fündig: der Islam - nicht etwa der "Islamismus", mit dem üblicherweise eine Abgrenzung zu Extremisten markiert wird. Faulhaber liefert kritische Zitate ernstzunehmender Zeitgenossen, die den Islam nicht in seiner bunten Vielfalt, sondern in seinem Wesen erkannt haben wollen: als "faschistische Ideologie" oder gleich als "Kriegsreligion"(Elias Canetti).

Der Autor hat "Kampfsuren" des Koran zusammengestellt, er zitiert Erdogan, der einen "moderaten","europäisierten Islam" als Beleidigung gläubiger Muslime verurteilt, und er erinnert an die Kairoer Erklärung der (islamischen) Menschenrechte, die die Scharia zum Vorrang-Recht aller Muslime erklärt und 1990 von 45 islamischen Außenministern unterschrieben wurde. Faulhabers Haupttrumpf: Die mündliche Überlieferung im Islam verwende den Begriff "Dschihad" nur in drei Prozent der Fälle im Sinne innerer Anstrengung, zu 97 Prozent aber als Krieg.

Es spricht für die Redlichkeit des Buchverfassers, dass er Kritiker im Sinne Karl Poppers zur Falsifizierung seiner Thesen aufruft und sich zu Demokratie, ökosozialer Marktwirtschaft und europäischer Integration bekennt. Aber mit der Einstufung seiner eigenen Politposition als "sozialliberalreformkonservativökolo gisch" gibt er zu, dass sein Weltbild wohl nicht ganz leicht zu definieren -und sein Buch als notwendige, aber einseitige Mahnung, nicht selbstmörderisch naiv zu sein, zu werten ist. Die jüngsten Ereignisse erzwingen die Notwendigkeit, zwischen Generalverdächtigung aller Muslime und Generalverharmlosung ihres Weltbildes Kurs zu halten.

Faulhaber hält Europa nur für rettbar, wenn es mehr nichtmuslimische Kinder hervorbringt und ohne Wenn und Aber zurückrudert zu den verlorenen Werten. Aber die Evolution, auch die intellektuellsoziale, hält ungezählte Varianten bereit, nie jedoch einen Rückwärtsgang.

Abschied von Europa

Aus Abendland wird Morgenland

Von Theo Faulhaber

Holos 2015,316 S., kart., € 17,00

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