Schönbrunn - © Foto: Gerhard Trumler / Imagno / picturedesk.com

"Aufklärung habsburgisch": Die Schuhe passen nicht

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Mit seiner beeindruckenden Monografie schreibt Franz L. Fillafer die Geschichte der Aufklärung und der Habsburgermonarchie zwischen 1750 und 1850 um.

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Mit seiner beeindruckenden Monografie schreibt Franz L. Fillafer die Geschichte der Aufklärung und der Habsburgermonarchie zwischen 1750 und 1850 um.

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Bis in die Gegenwart dominieren Klischees und schiefe Narrative über „die“ Aufklärung die Diskurse. Von „der“ Aufklärung ist polemisch, vereinfachend und zu oft in völliger Ahnungslosigkeit die Rede. „Die Aufklärung verursachte die Französische Revolution“; „der fortschrittlichen Aufklärung stand die Gegenaufklärung gegenüber“ – diese und andere schlichte Narrative beherrschen die Szene. Erfreulicherweise sind in den letzten Jahren immer wieder differenzierte Studien geschrieben worden, etwa über die katholische Aufklärung oder ihre vielen Verästelungen und Strömungen.

Franz L. Fillafer, Historiker an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, der auch in Cambridge, London, Konstanz und Florenz unterrichtete, legt nun ein monumentales Werk vor, das diese Klischees und Narrative mit zahlreichen Belegen und klugen Argumenten massiv infrage stellt.

Binäre Narrative

Fillafer erinnert – erstens – daran, dass die Aufklärung seit der Französischen Revolution fast schon routinemäßig in den Dienst einer bestimmten Fortschrittsund Modernitätserzählung genommen wurde und wird. „So schrumpfte die Aufklärung rückwirkend auf Reformation und Revolution, auf das Naturrecht und auf ein rationalistisch-mechanistisches Weltbild.“ Ein angebliches „Projekt der Aufklärung“ wurde erfunden. Dazu gehörten pseudoteleologische Konstruktionen: Die Geschichte führe über die Aufklärung angeblich geradlinig und unvermeidlich zum säkularen demokratischen Staat westeuropäischer Prägung.

Besonders fragwürdig sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Jonathan Israel, der die These einer spinozistischen, materialistischen und atheistischen Radikalaufklärung vertritt, die im Alleingang die Moderne begründet habe – mit sehr schmaler Basis an Belegen. Auch hier wird das alte und binäre Narrativ von einem progressiven Westeuropa reproduziert, das einem rückständigen, nur rezeptiven Mittelund Osteuropa gegenübersteht.

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