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Der Antimodernisteneid ist tot

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Wir hailten hier dem Antimodernisteneid eine Leichenrede. Rom hat die Verpflichtung zur Ablegung dieses Eides aufgehoben (siehe Querschnitte, „Die Furche“ Nr. 29). Dieser war von Pius X. am 1. September 1910 durch das Motu proprio „Sacorum antistites“ allen Seelsorgern, in weiterer Folge allen Klerikern vor dem Empfang der höheren; Weihen und allen, die ein kirchliches Amt übernahmen (Pfarrer, kirchliche Würdenträger und Obere), auferlegt und von Pius XI. im Jahre 1931 auch auf die Professoren der Philosophie und Theologie an den kirchlichen Lehranstalten und die Promovenden zu kirchlichen akademischen Graden ausgedehnt worden.

Dieser Eid hatte die Form eines Glaubensbekenntnisses, in welchem jene Irrtümer zusammengefaßt und verworfen wurden, die Pius X. in seinen . beiden in der Theologiegeschichte berühmten Enzykliken „Lamentabili“ (3. Juli 1907) und „Pascendi“ (1. September 1907) verurteilt hatte. Damit sollte weniger eine formelle Verurteilung der sogenannten „Modernisten“ in Frankreich und England, wie L. Laberthonniere, E. Le Roy, A. Loisy, G. Tyrell oder auch J. Turme, erfolgen. Vielmehr wurde ein in ein System von abstrakten Sätzen gebrachter Versuch, das Glaubensgut mit dem Denken der Zeit zu bewältigen, als gescheitert beurteilt.

Ein falscher Ansatz

Der Modernismus war das Ergebnis einer sehr bedeutsamen religiösen Krise. Die Theologie, und mit ihr die kirchliche Verkündigung, hatte sich in Formen verfestigt, für welche das zeitgemäße Philosophieren kein Verständnis hatte. Das bemerkenswerte Anliegen der genannten Männer war es nun, diese beiden

Bereiche des menschlichen Daseins, Glaube und Wissen, einander näher-zu bringen. Das Tragische an diesem Versuch war nun freilich, daß die philosophischen Grundanschauungen dieser Zeit eine einseitige Reaktion auf einen selbstsicheren Rationalismus und Intellektualisnius waren. Agnostizismus und Immanentismus im Sinn einer Dominanz des subjektiven Gefühls im menschlichen Daseinsverständnis wurden als neue Prinzipien verkündet.

Mit der Anwendung dieser neuen Prinzipien auf die denkerische Bewältigung des Glaubens mußte es daher zum offenen Konflikt mit der bisherigen aristotelisch-schola-

stischen Position kommen. Das Übernatürliche, damit Offenbarung und Kirche, gerieten nämlich nun völlig in den Bereich des Subjektiven, um dort in einer subjektivi-stischen und rein historisch-evolu-tionistischen Deutung gänzlich aufgelöst zu werden. Glaube und Religion galten nunmehr als bloß gefühlsimmanent existent, und jedes Dogma wurde zu einer zeitgemäßen Formulierung eines zeitbedingten Gefühls, während die Kirche als eine kollektive Frucht einer solchen natürlichen Religiosität erklärt wurde, deren Aufgabe es sei, die innere religiöse Erfahrung in Lehre und Disziplin verstandesmäßig aufzuarbeiten. Da aber jedes Zeitalter seine Weise habe, Gott zu erleben, so schreibt R. Scherer über den Modernismus im neuen Lexikon, für Theologie und Kirche, gibt das kirchliche Lehramt, und zwar nicht als Stiftung Christi, sondern als aus der Gemeinschaft der Christen gewachsene Institution, diesen verschiedenen Weisen in Gestalt der Dogmenentwicklung Ausdruck. Glaube und Wissen, Kirche und Staat blieben so von diesem Ansatz her getrennte Welten.

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