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Aufholbedarf für Theologie

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Wir verstehen, daß das kirchliche Lehramt zu solchen Konsequenzen nicht schweigen konnte. Selbst inmitten dieser Krise stehend, hatte es aber noch nicht jene positiven Argumente zur Hand, die es ihr ermöglicht hätten, diese Gefahr für den Glauben mit dem Gewicht einer überzeugenden Beweisführung abzuwenden. Ihm blieb damals nur das von der Gewißheit vom Irrtum jener Ansichten mobilisierte Gewicht ihrer formalen Lehrautorität. Die in der Enzyklika Pascendi angekündigten positiven Bemühungen zur Klärung der schwelenden Probleme aber wurden erst spät von den Theologen geleistet.

Sowohl der Modemismus als auch der Antimodernisteneid sind deshalb markante Zeugen eines vorübergehenden Unvermögens der Theologie, die moderne Wissenschaft und die Philosophie ihrer Zeit zu bewältigen und zu integrieren. Ein Aufflackern des Modernismus nach dem zweiten Weltkrieg erinnert uns erneut an die Schwierigkeit und Intensität dieses Ringens zwischen Glauben und Wissen.

Dieses Ringen in und am Rande der Kirche muß im Rahmen dieser Leichenrede für den Antimodernis-museid gewürdigt werden. Denn zweifellos wurde von den Modernisten, abgesehen von ihrem pasto-ralen Anliegen, eine Vielzahl echter Probleme recht gesehen, wenn auch die Lösungen wegen der mangelhaften philosophischen Voraussetzungen einseitig bleiben mußten. Das aufbrechende geschichtliche Bewußtsein, das Denken in historischen Dimensionen in der profanen Wissenschaft mußte zur Überprüfung einer überaus statischen Auffassung vom Menschen, von der Offenbarung, den Dogmen und der Konzeption vom Wesen der Kirche führen. Die erregten Auseinandersetzungen in den Fragen der Bibelkritik, der Dogmen-entwicklung und der wandelbaren Sozialigestalt der Kirche können uns deshalb kaum verwundern.

Viele dieser Anliegen des Modernismus wurden inzwischen von namhaften Theologen weiterverfolgt und manche von ihnen wenigstens zum Teil einer befriedigenden Lösung zugeführt. Wir wissen heute zu sagen, daß das Übernatürliche, die Welt Gottes, das Gewand der jeweiligen

Zeit tragen muß, seitdem in Jesus Christus der Sohn Gottes ein Mensch seiner Zeit und seiner Gesellschaft geworden ist. Das gilt für die Offenbarung, für die dogmatischen Formulierungen, aber auch für die kirchliche Institution. Wir wissen auch zu sagen, daß dieses Übernatürliche dem Menschen in dieser gegenwärtigen Heilsordnung nicht bloß von außen aufgepfropft wird als fremder und „unmenschlicher“ zweiter Stock, sondern daß bei aller Ungeschuldetheit der Gnade der Mensch eine ganz konkrete immanent-„natürliche“ Hinordnung auf Gott und die Anteilnahme am ewigen Leben des dreifältigen Gottes hat.

Das macht den Antimodernisten in unseren Tagen zu einem bloßen Denkmal für das mühsame und doch wieder fruchtbare theologische Ringen jenes halben Jahrhunderts, das beraubt ihn aber auch seiner Aktualität. Mag sein, daß beim Abbau der für ihre Zeit sicherlich sinnvollen und begreiflichen autoritativen Zäune des kirchlichen Lehramtes auch ein wachsendes Vertrauen dieses Lehramtes zu den Trägern des kirchlichen Dienstes und der heutigen Theologie mitgespielt hat. Erhält doch wohl auch in der Kirche der verstehende Dialog mit theologischen Grenzgängern den Vorrang, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil die Kirche aus der Vergangenheit gelernt hat. Nicht wenige Anhänger des Modernismus waren nämlich „durch klerikale Intrigen verbittert und aus der kirchlichen Gemeinschaft getrieben worden“. Ob allerdings diese kirchengeschichtlich so bedeutsame religiös-menschliche Krise schon so weit überwunden ist, daß

nicht gleich jeder „progressive“ Theologe als „Modernist“ in Verruf kommt, kann vom grünen Tisch aus nicht beantwortet werden. Karl Rahner und Herbert Vorgrimler bemerkten dazu vor etwas mehr als fünf Jahren im kleinen theologischen Wörterbuch, daß Modernismus „bedauerlicherweise bis heute ein liebloses, gehässiges Schimpfwort der innerkirchlichen, von der Schwierigkeit des Glaubens in der heutigen Welt nicht angefochtenen Arroganz“ geblieben sei. Ein Urteil darüber steht uns aber nicht zu.

Tot und begraben

Was wir feststellen können, ist nur dies: Der Eid ist tot und begraben. Ob mit ihm auch die Theologen begraben sind, welche der denkerischen Enge ihrer Zeit versklavt sind? Und ob diesen Theologen auch heute Männer des Lehramtes entgegentreten, die ihnen bloß ein autoritatives Halt zurufen, ohne ihnen weitere positive Hilfen anzubieten? Wir wissen es nicht, aber wir schwören gerne auch heute noch einem solchen Modernismus ab: sie nos Deus adiuvent et haec sua saneta Evangelia.

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