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Was ist Toleranz?

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Zu der Frage „Toleranz“ lesen wir in der Zeitschrift „Reformatio“, herausgegeben vom Schweizerischen Evangelischen Kirchlichen Verein, 12. Jahrgang, Februar 1963, S 1 f., nachstehende Sätze:

„Was ist eigentlich Toleranz? Sicher gibt es auch die falsche Toleranz, die Biertischtoleranz, die jeden Standpunkt gelten läßt, weil sie selber keinen Standpunkt hat und keine Wahrheit kennt; die mit ihrem Phrasenschwall jede echte, lebendige Wahrheit darniedertoleranzt, alles und jedes verträgt, nur eines nicht, so wenig wie der Teufel das Weihwasser: nämlich einen aufrechten, gläubigen Bibelchristen. Ihr klassischer Vertreter ist doch wohl für alle Zeiten der Alte Fritz, der jeden nach seiner Fasson selig werden lassen wollte in seinem Staate. .. Die echte christliche und im Grunde auch allein humanistische Toleranz ist grundverschieden von jenem Relativismus, der jedem rechtgibt, wenn er nur ein anständiger Kerl ist, darin aber das Ende alles echten Wahrheitsringens und damit auch das Ende aller echten Wissenschaftlichkeit und zuletzt das Ende aller wahren Humanität ankündigt. Denn Humanität gibt es nur dort, wo der Mensch sich zur Wahrheit aufgerufen weiß. Die wahre Toleranz aber glaubt an die Wahrheit. Sie ist dogmatisch sehr intolerant und ist fest überzeugt, daß die' Wahrheit den Irrtum, das Licht die Finsternis, die Gerechtigkeit das Übel, der Heilige Geist den Irrgeist und die Lüge schließlich besiegen wird. Aber sie verzichtet aus eben diesem Glauben heraus auf jedes andere Mittel zur Durchsetzung der Wahrheit als dasjenige des persönlichen Wahrheitszeugnisses. Und sie besitzt damit

etwas vom langen Atem Gottes, der seine Wahrheit in dieser Welt auch nur siegen läßt durch das Zeugnis der Offenbarung und eben darin seine großartige Souveränität beweist.“

Hier wurde allerdings eine notwendige Unterscheidung ganz außer acht gelassen, nämlich die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher, das heißt staatlicher Intoleranz. Die Toleranz der staatlichen Autorität ist eine Frage für sich, die sehr schwer zu lösen ist und daher auch im Laufe der Geschichte große Wandlungen durchgemacht hat. Da im vorliegenden nun von der privaten Toleranz die Rede war, ist hier nicht der Ort, auf dieses heikle Problem einzugehen. Aber auch die private Toleranz wirft Probleme auf, die wohl auch Konzilsfragen sein werden, so die Frage nach dem Eid, alle Kinder katholisch erziehen zu

lassen, den man vom Nichtkatholiken verlangt, der eine Ehe mit einem Katholiken schließt. Was ist, wenn dies gegen das subjektive Gewissen des Nichtkatholiken ist, also eine Vergewaltigung seines Gewissens oder einer Verletzung des eigenen Gewissens gleichkommt?

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