Von Gott in dieser Welt reden

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Drei Versuche in Buchform, Religion in Zeiten und Gesellschaften wie diesen zur Sprache zu bringen: "Die christliche Matrix", "Das Wissen der Religion" und der Sammelband "Von Gott und der Welt".

Die einen konstatieren die "Wiederkehr" der Religion. Die anderen meinen bestenfalls vorzufinden, dass allerlei religiöse Versatzstücke herumschwirren, aus denen sich der mit Patchwork-Mentalität durchdrungene Zeitgenosse bedient, um spirituelle Bedürfnisse zu bedienen. In solchen Kontexten wird es schwer, die Orientierung zu behalten. Sicher ist, dass institutionelle Religiosität verdunstet und damit das Wissen um Riten und Lebensvollzüge verschwindet, die etwa für eine christlich geprägte Gesellschaft selbstverständlich waren. Wie in dieser Situation von und über Religion zu reden ist, kann als eine der großen gegenwärtigen Herausforderungen gelten. Gelungene Versuche dazu gibt es nicht allzu viele.

Heutige Rede von Religion und über Gott

Das Buch "Die christliche Matrix" von Susanne Heine und Peter Pawlowsky ist eine Näherung an dieses Problem, die gleichermaßen originell wie notwendig ist. Heine, evangelische Theologin an der Universität Wien und ihr - katholischer - Ehemann Peter Pawlowsky, langjähriger Religions-Chef im ORF-Fernsehen, versuchen in diesem Band, Wesenselemente der Religion zu benennen und darzustellen. Sie nennen das eben "Matrix, eine unsichtbare Struktur, in die die sichtbaren Dinge wie ein Netz eingehängt sind".

Eine wirklich spannende, gut lesbare Auseinandersetzung, die drängt. Dass Journalist Pawlowsky mit von der Partie ist, hat sicher zu der anspruchsvollen Zugänglichkeit auch für Laien beigetragen. Ein wesentliches Anliegen, das Autorin und Autor konzise vermitteln können, ist die Unterscheidung der Sprache: Es gebe eine Sprache der klaren Wahrheit, Formeln, Begriffe der exakten Wissenschaft, und eine "Sprache der Bedeutsamkeit", die Heine und Pawlowsky bei der Religion ansiedeln. Man muss wirklich dankbar sein, dass dies hier thematisiert wird: Die Bibel, die religiöse Schrift der Christen, ist eben kein naturwissenschaftliches Lehrbuch oder auch kein Zeitungsbericht. Dass Fundamentalisten die Schrift genau in diesem Sinn verstehen, wird dem, was solch ein religiöser Text sagen will, ebenso wenig gerecht wie ein pseudowissenschaftlicher Journalist, der etwa nonchalant nachweist, dass der Turmbau zu Babel nie stattgefunden hat.

Aber am Beispiel dieser biblischen Geschichte stellen die Autoren im Buch dar, wie Menschheitserfahrung und religiöses Wissen sprachlich formuliert wird. "Eine Entdeckungsreise in unsichtbare Welten" nennen Heine und Pawlowsky das, was sie hier tun, im Untertitel des Buches. Diesem Anspruch werden sie gerecht. Und machen auch dogmatisch schwere Kost im - guten Sinn - bekömmlich: etwa die Rede von der "Erbsünde", die in der Begrifflichkeit des deutschen Wortes noch unzugänglicher ist als in anderen Sprachen, weil dieser Begriff nichts mit Vererbung zu tun hat. Auf ähnliche Art geht das Buch auf Utopien, Prophetie oder Jesus Christus und das, was über ihn zu sagen ist, ein. Auch eine "Wegbeschreibung" - wie aus den Anfängen das Christentum und seine Kirchen zu dem wurden, wie sie heute dastehen, - liefern Heine und Pawlowsky, um schließlich bei der Unsichtbarkeit Gottes zu landen, die mittels eines Bildes (!) von René Magritte interpretiert wird.

Dass dem Ganzen dann noch ein kleines Lexikon verwendeter Namen und Begriffe angeführt ist, zeigt erst recht das Bemühen um Verständlichkeit.

Teuflisch inspirierte Religionskritik

Im Zuge der aktuellen Auseinandersetzungen um Religion ist auch die Kritik derselben wieder in Mode gekommen. Dabei fällt auf, dass atheistische oder agnostische Autoren, "religiös Unmusikalische" (© Norbert Bolz) also, mitunter seltsame Allianzen mit einem rigorosen Dogmatismus eingehen: Einem Christentum, das sich auf die Moderne und deren Anforderungen einlässt, wird dann Anbiederung mit dem Zeitgeist vorgeworfen und dessen angebliche Verweichlichung gebrandmarkt.

Einer, der sich solcher Spielart der Religionskritik befleißigt, ist der Medientheoretiker und Kult-Autor Norbert Bolz, der in seinem Band "Das Wissen der Religion" auf diesen Gleisen dahinrast. Statt einem gnädigen Gott werde eine gerechte Gesellschaft propagiert, so die Fundamentalkritik von Bolz. Er bringt den Antichrist aufs Tapet (schon auf der Titelseite des Buches findet sich ein Renaissance-Fresko abgebildet, auf dem der Teufel Christus küsst) und polemisiert - dabei ungefragt den frankoamerikanischen Gewalttheoretiker René Girard zitierend - gegen political correctness und das "Gutmenschentum". Dabei denunziert Bolz, fast möchte man sagen: natürlich, auch die christliche Aufarbeitung der Schoa als irgendwie satanisch (selbstredend, dass er dabei auch Ernst Nolte, über dessen Leugnung der Singularität des Holocausts vor gut 20 Jahren der sogenannte "Historikerstreit" ausgebrochen ist, verteidigt).

Es ist eine weitere Facette der Religionskritik, die Religion rechts zu überholen und dann eine europäische, natürlich christliche Identität zu beschwören, die es zu bewahren gelte. Dass in solcher - betörend brillant formulierter - Suada auch der gegenwärtige Papst wiederholt als Kronzeuge herhält, wundert nicht mehr.

Sammlung christlicher Denkungsarten

Klassisch dagegen ist die Form der Auseinandersetzung in dem Sammelband "Von Gott und der Welt", der exemplarische Beiträge von 25 Jahren "St. Georgener Gespräche" vorstellt. Die vom damaligen Kärntner Bischof Egon Kapellari 1984 begründete Studienwoche in St. Georgen am Längssee hat bedeutende christliche Denker nach Süd- österreich gebracht: 1984 Hans Urs von Balthasar, 1985 Joseph Ratzinger, später dann unter anderem Robert Spaemann, Eugen Biser, Walter Kasper, Christoph Schönborn, J. B. Metz, Karl Josef Kuschel oder Erich Zenger.

Das "theologische Lesebuch" mit je einem Beitrag jedes der 25 Referenten ermöglicht gewiss keinen vollständigen Überblick über die theologischen und philosophischen Richtungen, die in diesem Vierteljahrhundert dort zur Sprache kamen. Aber wer einen Geschmack über die Vielfalt christlicher Denkungsarten und Auseinandersetzungen erhalten will - auch was die Fachgebiete betrifft: Exegese, Philosophie, Literatur, Dogmatik etc. - wird in diesem Buch spielend fündig. Ein Ausweis erstklassiger Beiträge, die zeigen, als wie hochkarätig die "St. Georgener Gespräche" einzuschätzen sind.

Die christliche Matrix. Eine Entdeckungsreise in unsichtbare Welten

Von Susanne Heine, Peter Pawlowsky. Kösel, München 2008. 255 S., kt., E 18,50

Das Wissen der Religion

Von Norbert Bolz. Wilhelm Fink, München 2008. 163 S., kt., E 13,30

Von Gott und der Welt Ein theologisches Lesebuch

Hg. von Karl-Heinz Kronawetter, Michael Langer.

Pustet, Regensburg 2008. 288 S., geb., E 25,60

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