Lesetipps: Kleiner FURCHE-Büchertisch
Vulnerabilität, christlicher Orient, Synoden-Geschichte, geerdete Lebenserinnerungen – und eine Jahrbuch-Sammlung über das Gute: Tipps von Otto Friedrich aus Neuerscheinungen auf dem religiösen Büchermarkt.
Vulnerabilität, christlicher Orient, Synoden-Geschichte, geerdete Lebenserinnerungen – und eine Jahrbuch-Sammlung über das Gute: Tipps von Otto Friedrich aus Neuerscheinungen auf dem religiösen Büchermarkt.
Seit zweieinhalb Jahren ist Hildegund Keul, Vulnerabilitätsforscherin und Theologin an der Universität Würzburg, Kolumnistin der FURCHE: Alle vier Wochen sind die „Glaubensfragen“ von Keul zu lesen – fast immer zu einem Thema aus ihrem Forschungsgebiet.
Nun hat Keul ihre FURCHE-Kolumnen und andere Texte übers Thema Vulnerabilität zum Ausgangspunkt eines Büchleins genommen, das zeigt, wie wichtig Fragen der Verwundbarkeit sowohl im Diskurs, als auch in einer zeitgemäßen christlichen Spiritualität sind. „Verwundbar sein. Vulnerabilität und die Kostbarkeit des Lebens“ heißt der Band, und auch in der Massierung der Texte zum Thema erschließt sich, wie universal und wie universal nötig der Blick auf die Verwundbarkeiten ist.
Die Autorin fasst ihre Zugänge zur Vulnerabilität in fünf Kapitel zusammen und beginnt mit den zentralen christlichen Festen Weihnachten, Ostern, Pfingsten, die auch Feste der Verwundbarkeit sind. Keul geht dabei auf die Seenot-Lage im Mittelmeer ebenso ein wie sie Auferstehung als Lebenskunst (auch das war bereits ausführliches Thema eines Keul-Buches) versteht.
Aktuell unter den Nägeln brennend ist das zweite Kapitel, in dem sich die Autorin der Verwundbarkeit in der Pandemie zuwendet. Dabei redet sie „Wunden verbinden“ das Wort und legt gleichzeitig die perfiden Strategien der Verschwörungsfantasien offen. Das andere aktuelle Reizthema, der sexuelle Missbrauch in der Kirche und dessen Vertuschung, nimmt sich Keul im dritten Kapitel vor – auch dazu hat sie bereits in der FURCHE geschrieben. Im vierten Kapitel wendet sich die Autorin dem Ringen um Frieden zu, um dann zum Schluss mit einer „mystischen“ Apotheose zu enden.
Die Überlegungen und Beispiele, die Hildegund Keul anführt, sind meist keine spektakulären Erkenntnisse. Es geht ihr vielmehr um ein Erden ihrer Forschungen auf der Ebene von Lebenserfahrung. Das gelingt ihr in dem kleinen Band ganz ausgezeichnet. Dass sie mit Ingeborg Bachmann, Jacques Derrida und Michel de Certeau endet, zeigt: Sie bemüht auch große Geister, um Verwundbarkeiten sichtbar zu machen und zu thematisieren.
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