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Bauernwald muß bleiben
Daraus ist zu ersehen, daß Österreich ein typisches Land des Privatwaldes ist. Der größte Teil aber — 52,1 Prozent — ist Kleinprivatwald, und von diesem sind 42 Prozent Bauernwald. Zu letzterem ist eigentlich auch der Gemeindewald zu zählen, der überwiegend der bäuerlichen Bedarfsdeckung dient. Außerdem kommen 'als „ideeller“ Bauernwald noch die zahlreichen Wald- und Weidenutzungsrechte der Bauern hinzu. Diese Besitzverhältnisse ergeben jedoch besondere Probleme hinsichtlich der Forstpflege und Aufforstung.
Oberste Forstaufsicht in Österreich hat das Bundesmimisterium für Land-und Forstwirtschaft, genauer gesagt, dessen Sektion V. Ihr Leiter, Ministerialrat Ing. Dr. Rudolf E n d e r, kommt aus Vorarlberg, einem Musterland an Waldkultur und Forstgesinnung seiner Bewohner. In allen Forstdienststellen des Bundes, der Länder und der Kammern für Land- und Forstwirtschaft siiind rund 1000 Forstingenieure, 2000 Förster, 820 Forstwarte und Waldaufseher sowie rund 1200 sonstiges Forstpersonal tätig. An Forst- und Sägearbeitern, Pechern und anderen Arbeitern wurden 1960 25.215 gezählt.
Das Hauptproblem unserer Forstwirtschaft ist die Überschlägerung. Es wird derzeit alljährlich um zirka zwei Millionen Festmeter Holz mehr geschlagen als forstkulturell zu verantworten ist. War die Ursache hierfür in der Ersten Republik die wirtschaftliche Notlage, so ist es heute der ständig wachsende Bedarf nicht nur an Holz, sondern auch an- Produktionsmitteln, deren Ankauf viele Bauern durch übermäßige Entnahme aus ihrem Waldbesitz finanzieren. Das Ministerium arbeitet auf Vergrößerung der Einfuhren bestimmter Holzarten sowie auf freiwillige Zusammenschlüsse der Besitzer von Bauernwald zu besserer Waldpflege und rationellerer und intensiverer Aufforstung hin, derer der einzelne Kleinbesitzer finanziell nicht fähig ist. Eine andere Schwierigkeit besteht darin, daß die Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Länderstellen einerseits und den Interessenvertretungen — den Land- und Forstwirtschaftskammern — hinsichtlich der Forstpflege viel zu wünschen übrigläßt.
Ein oberösterreichischer Großbauer erklärte vor einiger Zeit dem Schreiber dieser Zeilen: „Nahezu die gesamte moderne Maschinerie, die heute in der Landwirtschaft verwendet wird, liegt zu zwei Drittel des Jahres als totes Kapital unausgenützt im Schuppen. In der Industrie wird eine Maschine tagtäglich voll ausgenützt und bringt dadurch ihr Geld wirklich herein. Selbstverständlich liegt die Lösung — wie überhaupt die Zukunft der Landwirtschaft — in der genossenschaftlichen Zusammenarbeit und Ausnutzung der Betriebsmittel. Und damit ist nicht mehr eine ferne Zukunft, sondern die allernächste gemeint, wenn die österreichische Landwirtschaft international bestehen soll. Wir haben nun abet gute und schlechte Erfahrungen mit den Genossenschaften. Wenn viele Bauern der Vergenossenschaftung zögernd und zurückhaltend gegenüberstehen, so weil sie Angst vor der In-stitutionalisierung haben — einfacher gesagt: davor, daß die genossenschaftlichen Funktionäre und Manager „im Interesse des großen Ganzen“ über den Kopf des einzelnen Bauern hinweg schalten und walten.“
Die Bauern zeigen hierin ein gesundes Mißtrauen und Widerstreben vor jener Erscheinung, welche die gesellschaftlichen Beziehungen überall anders erfaßt hat: Die Entfremdung und Entselbständigung des den großen Organismen unserer Gesellschaft unterworfenen Menschen. So geht es darum, daß die so nötige Anpassung des Bauern an die modernen technischen und organisatorischen Gegebenheiten und Notwendigkeiten — Flächenvergrößerung, Rationalität und Kooperation — sich in Formen vollzieht, die die Entscheidungsmacht über sein eigenes Schicksal nicht beeinträchtigen und ihm volle Mitwirkung und Mitentscheidung in aller Kooperation zusichern. Von ihrem natürlichen Status als ökonomisch Selbständige ausgehend könnten die Bauern somit dem übrigen Gesellschaftsleben wichtige Impulse vermitteln, die dazu dienen könnten, die Entfremdung des Einzelnen in der modernen Industriegesellschaft auflösen zu helfen.
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