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Entwicklungsplan nicht gefragt

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Das Wahlprogramm der ÖVP Niederösterreichs wurde im Rahmen einer Pressekonferenz im Stiftskeller von Klosterneuburg der Öffentlichkeit übergeben. Ein über den Anfahrtsweg verstimmter Wiener Journalist — das Presse-Concordia- Haus wäre näher gewesen — fragte etwas boshaft, ob das Programm vom spiritus loci des Stiftskellers beeinflußt sein werde. Und dann überraschte ein nüchternes, klares und modernes Programm, ohne jedes Pathos.

Und es war wohl richtig, daß das Programm auf niederösterreichischem Boden verkündet wurde, denn das Land unter der Enns braucht Selbstbewußtsein gegenüber Wien, in dessen Bannmeile es mangels einer eigenen Hauptstadt liegt. Niederösterreich ist nicht die Provinz von Wien. Hier wurde mit einer Geste der richtige Weg gewiesen: In Zukunft mehr Föderalismus, mehr Eigenständigkeit im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, auch für das Land unter der Enns. Heraus mit allen niederösterreichischen Behörden und Institutionen aus der überbürokratisierten Bundeshauptstadt, mit ihrer Amtsraumnot, dem Verkehrschaos und dem Parkplatzproblem.

Die Dezentralisierungsmaßnahmen der Pariser oder römischen Regie rung sollten im übertragenen Sinn ein Beispiel sein. Der französische Staat bietet alle seine Mittel auf, urri Paris „auf die Provinzen aufzü- teilen“, Paris, das als krankes, überbeanspruchtes Herz Frankreichs be-

zeichnet wird. Die Italiener haben ihren Behörden auf halben Weg von Rom nach Ostia auf dem von Mussolini pompös aufgezogenen Weltausstellungsgelände eine noch pompösere Heimstatt geschaffen. Auch an Wien wird die Frage der Dezentralisierung heute oder morgen gestellt werden.

So sollten die Niederösterreicher mit dem Auszug den Anfang machen. Auch wird das im Verhältnis zu den anderen Bundesländern da und dort noch etwas zurückgebliebene Niederösterreich das Vorhandensein von

Behörden und Institutionen auf eigenem Boden, wirtschaftlich und fiskal sehr gut gebrauchen können. So gesehen, dürfte der Weg des Wiener Journalisten nach Klosterneuburg als Symbol sich doch ausgezahlt haben.

Das Wort „Plan“ fehlte

Die Anhänger der französischen Planiflkation werden in diesem Wahlprogramm wohl eines eifrig suchen: Das Wort Plan oder Planung. Sie werden es nicht finden. Nicht einmal das ideologisch unverfängliche Wort Raumplanung ist erwähnt. Man wird fragen: sollte nicht wenigstens ein Rahmenkonzept da sein, in dem die zukünftigen Maßnahmen der Landesregierung hineingestellt werden können? Ist die ÖVP mit einem unzeitgemäßen Programm in den für sie sicher nicht leichten Wahlkampf gegangen? Denn auch für sie gilt nach fast zwanzigjähriger Herrschaft in Niederösterreich das Wort MacMillans: Die lang regierende Partei hat es schwerer im Wahlkampf.

Braucht das Land unter der Enns einen Entwicklungsplan? Noch siebenmal dürften die Niederösterreicher zur Wahl gehen, dann wird man das Jahr 2000 schreiben. Wie wird dann das Land vom Semmering bis zum Waldviertel und von der Enns bis zum Neusiedlersee aussehen? Hat man sich darüber im Wahlprogramm der niederösterreichischen ÖVP Gedanken gemacht? Offensichtlich, denn es ist von der Entwicklung, vom Lebensnerv der Wirtschaft, den Straßen, vom Fun-

dament der Wirtschaft, der Energie, von einer konkurrenzfähigen Landwirtschaft, vom sicheren Arbeitsplatz, neuen Industrien, Wohnbauförderung als beste Familienpolitik usw. die Rede. Offensichtlich ist man aber auch zu dem Ergebnis gekommen, daß Niederösterreich zur Verwirklichung dieser Ziele weder einen Plan noch Planiflkation benötigt.

Das Wort Entwicklungsplan ist ein Modewort, das vielleicht, aber nur vielleicht, am Sambesi, nicht aber an der Donau seine Berechtigung hat. Eine Planwirtschaft ist heute im Westen genauso überholt, wie das laissez faire der klassischen englischen Nationalökonomie. Dennoch schwören die österreichischen Sozialisten auf den „Plan“, aus doktrinären Gründen. Daher muß auch bei dem Wort Entwicklungsplan genau definiert werden, was gemeint ist

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