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Geschichte des Gaullismus

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Seit 28 Jahren beeinflußte General de Gaulle und die nach ihm benannte Bewegung die französische und internationale Politik. Eine Nachkriegsgeschichte Europas ist ohne intime Kenntnis dieser Persönlichkeit und der mit ihr verbundenen politischen Kräfte undenkbar. Uber de Gaulle selbst existiert eine umfangreiche Literatur — mindestens 150 Titel. Der Wert dieser Veröffentlichungen ist unterschiedlich.

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Seit 28 Jahren beeinflußte General de Gaulle und die nach ihm benannte Bewegung die französische und internationale Politik. Eine Nachkriegsgeschichte Europas ist ohne intime Kenntnis dieser Persönlichkeit und der mit ihr verbundenen politischen Kräfte undenkbar. Uber de Gaulle selbst existiert eine umfangreiche Literatur — mindestens 150 Titel. Der Wert dieser Veröffentlichungen ist unterschiedlich.

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In der „Furche“ vom 7. Dezember 1968 verwiesen wir auf ein Werk, dessen Lektüre dazu beiträgt, die Geschichte des Gaullismus näher kennenzulernen. Der erste und engste Mitarbeiter de Gaulies, Jacques Soustelle, der sich über die Algerienpolitik des Staatsoberhauptes von seinem früheren Idol trennte und diese Fronde mit sieben Jahren Exil bezahlte, veröffentlichte die langerwartete Monographie über den Gaullismus, die schon 1968 in Paris zu heftigen Kontroversen Anlaß gab. Der junge deutsche Verlag „BLICK + BILD“ legte rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse eine deutsche Übersetzung vor. Jede in Europa an Zeitgeschichte interessierte Persönlichkeit sollte sich mit dem Werke Soustelles vertraut machen. Jacques Soustelle wurde 1912 in Montpellier geboren und gilt als ein hervorragender Ethnologe und einer der wenigen Gelehrten, die die Maya-Sprache fließend beherrschen. Er verfaßte zahlreiche Werke über die vorkolumbischen Kulturen in Mexiko und Südamerika. 1940 schloß er sich in London de Gaulle an und wurde sein Geheimdienstchef, war an der Gründung der ersten gaullistischen Sammelpartei RPF maßgebend beteiligt und rief 1968 gegen den Willen des Generals die damalige Sammelbewegung UNR ins Leben, die sich gegenwärtig als die Staatspartei der V. Republik, UDR, präsentiert.

Wir billigen dem Buch Soustelles durchaus dokumentarischen Charakter zu und verweisen besonders auf unbekannte Momente in der Geschichte des Gaullismus, wie die Geburt des RPF und des parlamentarischen Gaullismus in der IV. Republik. Jacques Soustelle vermittelt eine außergewöhnlich plastische Schilderung seiner Beziehungen zu General de Gaulle und beschreibt eindrucksvoll den intransigenten Charakter seines Meisters. Wir alle, Beobachter von autoritären und semi-autoritären Regimen, werden mit innerer Anteilnahme die Einrichtung eines Regierungsstils ver-

folgen, der die Grundfreiheiten des Menschen immerhin in Frage gestellt hat.

Niemals noch zuvor hat ein politischer Schriftsteller den Mechanismus eines sich human gebärdenden, aber im innersten Kern autokratischen Regimes bis in die Nuancen untersucht. Allein dieser Kapitel wegen ist eine deutsche Ubersetzung zu begrüßen. Soustelle hat für die deutsche Ausgabe ein eigenes Vorwort geschrieben, in dem er dem Sturz de Gaulles im April 1969 Rechnung trägt Der Verfasser spricht von einem „maßlosen Machthunger“, der General de Gaulle dazu

getrieben habe, mit „eigenen Händen sein legendäres Bild zu zerstören“. Hier spricht der enttäuschte Parteigänger. Es war nicht der übliche Machthunger, sondern ein charismatisches Sendebewußtsein, das de Gaulle inspirierte. Er träumte zu lange den Traum von der Großstellung seines Landes und vergaß darüber seine eigentliche historische Aufgabe: Schöpfer eines neuen und geeinten Europas zu werden. Mögen wir auch die Ausführungen Soustelles an gewissen Stellen mit Fragezeichen versehen, wird doch sein Werk „28 Jahre Gaullismus“ als eine der wichtigsten Quellen dieser politisch-geistigen Bewegung in Frankreich zu werten sein.

„DER TRAUM VON FRANKREICHS GRÖSSE.“ Von Jacques Soustelle. Aus dem Französischen von Annegret Striepke. Blick-Bild-Verlag. 416 Seiten, Leinen DM 26.—.

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