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Israels Kampf um Wasser

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Israel begann vor kurzem eine politische Offensive gegen die arabischen Staaten, um mit Hilfe von befreundeten Großmächten die arabischen Nachbarn davon zu überzeugen, den Plan der Ableitung der Jordanquellen nicht durchzuführen.

Frau Golda Me'ir verhandelte in Paris mit den französischen Regierungspolitikern und bat sie, ihren Einfluß im Libanon geltend zu machen, damit dieser Staat die geplante Ableitung des Cbazbaniflus-ses, einer der drei Hauptquellen des Jordans, nicht in Angriff nehmen solL Ein ähnlicher Versuch wurde vom stellvertretenden Ministerpräsident, Abba Even, in den USA gemacht, nachdem Amerika schon vorher Israel verwarnte, keinen Präventivkrieg im Mittleren Osten zu beginnen. Amerika versprach, seinen Einfluß in Jordanien geltend zu machen, damit auch dieses Land an der von der arabischen Gipfelkonferenz beabsichtigten Ableitung der Jordanquellen nicht teilnehmen soll. Ein ähnlicher Plan, die Sowjetunion von den israelischen Anrechten auf das Jordanwasser zu überzeugen, hatte nur einen Teilerfolg aufzuweisen. Die Sowjetunion konnte erst in der letzten Zeit ihren Einfluß in Syrien vergrößern und war nicht bereit, ihn wieder aufs Spiel zu setzen.

Ungefähr zwei Drittel des Bodens Israels, der landwirtschaftlich bearbeitet werden kann, befindet sich südlich Tel Avivs. Aber nur fünfzehn Prozent des israelischen Gesamtwasserreservoirs befinden sich südlich Tel Avivs. Ein großer Teil der Negev-Wüste, in der es überhaupt kein Wasser gibt, kann nur mit Hilfe von aus dem Norden des Landes abgeleitetem Wasser besiedelt werden. In den vierziger Jahren wurde der erste größere Wasserableitungsplan von Prof. Walter Clay Lowdermilk ausgearbeitet. Ein kleinerer Wasserableitungsplan wurde zu dieser Zeit ausgeführt, um die ersten elf Kibbuzim in Negev ansiedeln zu können.

Nach der Staatsgründung im Jahre 1948 stellte es sich heraus, daß der Jordanbewässerungsplan Professor Lowdermilks nicht durchführbar sei, da die Grenzen des neuen israelischen Staats, die durch ein Waffenstillstandsabkommen festgelegt worden waren, nur die zufällige militärische Situation berücksichtigten, ohne daß eine Möglichkeit bestand, auf Wasserverteilung Rücksicht zu nehmen.

Der Johnston-Plan

Der erste Bewässerungsplan wurde 1950 ausgearbeitet. Er wurde von einer technischen Kommission der Westmächte gutgeheißen, und im Jahre 1953 begann Israel die Grabungsarbeiten iür ein hydroelektrisches Werk, das dem Jordanbewässerungsplan angeschlossen

werden sollte, in der demilitarisierten Zone neben der B'noth-Jaacov-Brücke südlich des Tiberiassees. Auf Intervention der Sicherheitskommission der UNO wurden die Arbeiten eingestellt, da Syrien be-

hauptete, daß die Grabungsarbeiten auch eventuell zur Errichtung von Tankfallen dienen könnten. Zur gleichen Zeit wurde der inzwischen verstorbene persönliche Beauftragte des amerikanischen Staatspräsiden-

ten, Herr Eric Johnston, an der Spitze einer technischen Kommission nach Israel und in die arabischen Staaten entsandt. Johnston plante die Wasserverteilung der Jordan- und Jarmuckquellen an Libanon, Syrien, Jordanien und Israel und versuchte, den Forderungen der verschiedenen Staaten gerecht zu werden. Sein Plan wurde von Israel und von einer technischen Kommission der diesbezüglichen arabischen Staaten gutgeheißen. Doch im Oktober 1955 beschloß eine Sitzung der Arabischen Liga in Kairo diesen Plan abzulehnen, weil er eine Kooperation mit Israel verlangte und daher zweifellos indirekt die politische Anerkennung Israels darstellen würde.

Nach dem Johnston-Plan sollen die 314 Millionen Kubikmeter Wasser, die oberhalb des Jarmuckflus-ses in den Jordan fließen, so verteilt werden, daß Libanon 35 Millionen Kubikmeter pro Jahr erhält und Syrien 20 Millionen; die restlichen 259 Millionen Kubikmeter Wasser würde nach diesem Plan Israel erhalten. Laut dem Johnston-Plan wurden die 360 Millionen Kubikmeter Wasser des Jarmuckflus-ses, die in den Jordan münden, Jordanien zugesprochen.

Die Wasserverteilung beruht darauf, daß der Jordan oberhalb des Jarmuckflusses von drei Quellen gespeist wird. Die größte Quelle, der Danfluß, die ungefähr 50 Prozent der Wassermengen der drei Quellflüsse liefert, befindet sich in israelischem Territorium. Der Chatz-bani, der ungefähr 20 Prozent liefert, befindet sich im Libanon, und der Banias mit den restlichen 30 Prozent entspringt in Syrien in der Entfernung von ca. zwei Kilometer von der israelischen Grenze.

Ein ungeschriebener Vertrag

Obwohl der Johnston-Plan von den arabischen Staaten nicht bestätigt wurde, begannen Israel und Jordanien ihre Bewässerungsprojekte auf Anraten der amerikanischen Regierung auszuführen. Es bestand zwischen Israel und Jordanien ein ungeschriebener Vertrag, nur die ihnen durch den Johnston-Plan zugewiesenen Wassermengen zu benützen.

Das Jordanbewässerungsprojekt leitet das Wasser von dem nördlichen Ufer des Tiberiassees mit Hilfe einer Anzahl von Pumpen und Riesenwasserröhren (Durchmesser 108 Zoll) in den Süden des Landes. Das auf diese Weise abgeleitete Wasser ist verhältnismäßig kostspielig, da sich der Tiberiassee ungefähr 250 Meter unter dem Meeresspiegel befindet und das Wasser auf eine Höhe von 300 Metern gepumpt werden muß, um das nötige Gefälle zu erlangen.

Israel verfügt über ein Wasserpo-

tential von ca. 1800 Millionen Kubikmetern. In dieser Zahl sind bereits 300 Millionen Kubikmeter, di das Jordanbewässerungsprojekt in seiner Endphase geben wird, mit inbegriffen.

Um eine weitere Besiedlung des wasser- und bevölkerungsarmen Negev zu ermöglichen, braucht man das Jordanwasser, da der Negev selbst fast keine eigenen Wasserquellen hat und die Überschwemmungswässer des Negev nur sehr schwer aufzufangen sind.

Die arabischen Staaten drohten seinerzeit, einen Krieg gegen Israel zu erklären im Falle dieses das Jordanbewässerungsprojekt in Betrieb nimmt. Als im Sommer 1964 die erste Phase (180 Millionen Kubikmeter pro Jahr) des Projektes in Betrieb genommen wurde, schlug Gamol Abdel Nasser, der ägyptische Staatspräsident, auf der arabischen Gipfelkonferenz vor, statt Kriegserklärung an Israel die Banias- und Chatzbaniquellen abzuleiten, bevor sie in den Jordan münden. Eine solche Ableitung würde das Wasser des Jordans völlig versalzen, so daß man auch das restliche Wasser dieses Flusses nicht mehr zu Bewässerungszwecken benutzen könnte. Laut dem Plan der arabischen Staaten soll das Wasser des Chatzbani in den im Libanon gelegenen Litani-fluß geleitet werden und zusammen mit dessen Wasser ins Meer fließen. Das Wasser des Banias dagegen soll mit Hilfe eines langen Kanals dem Jarmuckfluß zugeleitet werden. Auch das Wasser des Banias, ähnlich wie das Chatzbaniwasser, wird laut diesem Plan fast völlig vergeudet werden, denn die Gegend des Jarmuckflusses ist so wasserreich, daß das zusätzliche Wasser nur Überschwemmungen verursachen würde und dann wiederum erst mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln dem Boden entzogen werden muß.

So gut wie eine Kriegserklärung

Bisher begannen in Syrien und im Libanon die Grabungsarbeiten für die ersten Kanäle. Der israelische Staatspräsident Levi Eschkol erklärte, daß die Ableitung der Jordanquellen, wenn sie ausgeführt würde, einer Kriegserklärung an Israel gleichkäme. Im Grunde genommen sind auch die arabischen Staaten an einer solchen Ableitung nicht interessiert und sehen in ihr nur einen politischen Akt. Der Libanon ließ durchblicken, daß er die Verwirklichung einer solchen Ab-

leitung so lange wie möglich hinausschieben wird. Nasser beklagte sich erst dieser Tage, daß man die Ableitungsarbeiten von arabischer Seite bisher nicht ernst genug genommen hätte. Aber nach wie vor ist im Mittleren Osten das „Wahren des Gesichts“ einer der wichtigsten Faktoren der Politik, und aus diesem Grunde sind die Ableitungspläne ein Zündstoff, der, wenn er eines Tages zur Explosion gebracht wird, Krieg in den Nahen Osten bringen kann.

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