Caspar Einem auf Christian Brodas Spuren/Merkwürdig zwiespältig und unausgereift

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Caspar Einem ist Zivilcourage auch in Vorwahlzeiten nicht abzusprechen. Das beweist sein neues, nicht uninteressantes Buch, von dem sowohl er, als auch Verleger Fritz Molden glaubwürdig versichern, daß es nicht mit Blick auf den herannahenden Wahltermin geschrieben worden ist, das aber nur zu leicht auch Gegenstand des Wahlkampfes werden könnte.

Denn der Verkehrs- und Wissenschaftsminister erweist sich darin als Sozialdemokrat uralter sozialistischer Schule. Unternehmer finden in dem Weltbild, das da zum Ausdruck kommt, nur als Klassenfeinde und Kapitalisten Platz, finster entschlossen, Arbeitnehmer und Konsumenten auszubeuten. Die müssen daher vor ihnen geschützt werden. Deshalb verlangt der Minister - Broda schau oba! - den Einsatz der Justizpolitik als Instrument der Gesellschaftspolitik.

Wie er überhaupt mit dem Zustand der Justiz gar nicht zufrieden ist: "Man könnt etwas spitz sagen, daß heute der, der weiß, wie die Mühlen der Justiz mahlen, mit gutem Grund danach trachtet, ihnen auszuweichen." Nur notorisch gutgläubige Dumme besäßen Vertrauen in die Justiz, weiß Einem, der möglicherweise in der nächsten Regierung - nachdem früher schon einmal Innenminister war - das Amt des Justizministers anpeilt: "Nur wer unerschrocken genug an dieses Idealinstrument der Rechtsdurchsetzung glaubt - und nicht allzu viel weiß -, nutzt diesen Weg."

Wen wundert's da, wenn auch optimistisch gestimmte Modernisierer wie der britische Regierungschef Tony Blair und dessen deutscher Kollege Gerhard Schröder vor Einems strengem Auge keine Gnade finden. Blairs und Schröders "Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten" sei ein "Versuch, mit den Aufsteigern in der Sozialdemokratie eine neue Periode der Liberalität, der Wirtschaftsdynamik, der Zurechtstutzung des Wohlfahrtsstaates vorzunehmen und die sozialdemokratischen Wurzeln programmatischer Art abzuhacken und zu begraben", die "sozialdemokratischen Grundorientierungen aktiv aufzulösen".

Das - ungeachtet aller Einwände insgesamt doch lesenswerte - Buch stellt im Grunde eine Sammlung von Aufsätzen dar, die sich mit zahlreichen Themen befassen: mit Bildungsfragen und der Ausländerproblematik ebenso wie mit dem Krieg im Kosovo, mit der Affäre Waldheim ebenso wie mit den Auseinandersetzungen um die Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Pinochet in Großbritannien (beide angeführt als Beispiele "falscher Solidarisierungen"). Und natürlich auch mit Krieg und NS-Zeit.

Genau da versteigt sich Einem - offenbar allen Ernstes - zu der Behauptung, Österreich sei einer der "Hauptschuldtragenden am Zweiten Weltkrieg" gewesen. Als ob er nicht wüßte, daß Österreich im September 1939 - weil von deutschen Truppen besetzt, von der Landkarte gelöscht und dem Dritten Reich angegliedert - nicht existiert hat. Es fällt auch schwer zu glauben, daß Einem von der Moskauer Deklaration noch nichts gehört haben könnte. Jedenfalls ist es schlicht skandalös, wenn ein Mitglied der Bundesregierung über Österreich als einen "Hauptschuldtragenden am Zweiten Weltkrieg" schreibt.

Und so wirkt Einems Buch - notabene auch in seinen außenpolitischen Passagen - unausgereift, hinterläßt es einen merkwürdig zwiespältigen Eindruck. So wie etliche politischen Aktionen des Ministers in der Vergangenheit auch. Man erinnere sich nur an den - mittlerweile aufgegebenen - Plan vom Februar vorigen Jahres, die Arbeit der Professoren an den Universitäten durch als Studenten getarnte Aufklärer überprüfen zu lassen - nach unseligem Vorbild der Stasi mit ihren "Informellen Mitarbeitern", die in der untergegangenen DDR einst alles und jedes bespitzelt haben.

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