Der Boom der Todbringer

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Ein Rekordwaffendeal zwischen Saudi-Arabien und den USA wirft ein bezeichnendes Licht auf die Rüstungsindustrie: Nicht einmal im Kalten Krieg wurden so viele Waffen produziert.

Erinnern Sie sich noch? Im Frühsommer dieses Jahres drohte die Schuldenmisere Griechenlands den Euro und mit ihm die gesamte Währungsunion in den Abgrund zu ziehen. Die EU-Staats- und Regierungschefs eilten von einem Krisentreffen zum nächsten # hoffend, schimpfend, drohend die Fäuste in Richtung Athen gereckt # und am Ende mit 110 Milliarden Euro einspringend. Wie diese Hilfe im einzelnen geleistet wird, kümmert nun aber offenbar weder die EU noch den sonst so gestrengen Internationalen Währungsfonds. Andernfalls hätten einige Entscheidungen der griechischen Regierung in den vergangenen sechs Monaten mehr Aufsehen erregen müssen. Zutage kam da unter anderem der Ankauf von zwei deutschen U-Booten, ein Vertrag über den Erwerb von 170 deutschen Panzern und anderen unbilligen Rüstungsgütern. Kostenpunkt: 1,7 Milliarden Euro. Nur mühsam dementierte da beispielsweise die deutsche Regierung, bei den Deals für deutsche Rüstungskonzerne politisch nachgeholfen zu haben. Aber wie sollte man auch erklären, dass ein bankrotter Euro-Staat Waffen kauft und so europäische Hilfsgelder in den Kassen von milliardenschweren Waffenkonzernen landen.

Griechenland ist ein Extrem- aber bei weitem kein Einzelfall. Denn Waffenhandel trotzt generell und weltweit allen Krisen und Sparpaketen: Das lässt sich aus den Statistiken erlesen, die im Sommer vom Stockholmer Internationalen Institut für Friedensforschung veröffentlicht wurden. Demnach ist der internationale Waffenhandel ein boomendes Gewerbe.

Über 1531 Milliarden Dollar wurden selbst im Krisenjahr 2009 für Waffen aller Art ausgegeben. Die laufenden Deals lassen sich Tag für Tag in der Militärzeitschrift Janes Defense Weekly nachlesen. Allein seit Anfang September vermeldete das Militärjournal 17 Millionendeals. Darunter befindet sich auch der größte Waffenhandel aller Zeiten, die Aufrüstung der saudischen Armee um 60 Milliarden Dollar durch die US-Rüstungsindustrie. Gekauft werden sollen damit unter anderem 84 F15 Kampfjets, 70 Apache-Kampfhubschrauber und 72 Blackhawk-Militärhubschrauber, des weiteren Kriegsschiffe und Marschflugkörper.

Rüstungsrekorde

Die von saudischen Wünschen beglückten USA sind selbst auch äußerst spendabel zu ihrer Waffenindustrie: Peter J. Croll vom Bonn International Center for Conversion BICC: #Die USA geben bei Weitem am meisten Geld für Rüstungsgüter aus. Der Etat des Pentagon für 2009 (siehe Grafik) ist der größte seit 1945, also auch höher als zu jedem Zeitpunkt des Kalten Krieges.#

Auf der anderen Seite unterstützen die USA ihre Rüstungsindustrie # siehe Saudi Arabien # auch intensiv bei der Vermarktung ihrer Produkte im Ausland. Die Lieferadresse scheint dabei egal zu sein. So wurden 2009 die Waffen- und Munitionslieferungen für die Regierung Somalias verdoppelt. Der dort herrschende Krieg gegen Islamisten machte nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker mehr als 280.000 Menschen zu Flüchtlingen, mehr als 400 sollen in den vergangenen drei Monaten ums Leben gekommen sein.

China, nach den USA zweiter Hauptwaffenproduzent, entzieht sich einer Kontrolle seiner Waffendeals fast gänzlich.

Chinesische Konzerne liefern laut internationalen Experten Waffen selbst an geächtete Diktatoren. Mörser für Simbabwes Robert Mugabe, Maschinengewehre für Ruanda, Panzerabwehrraketen nach Angola.

Dass die Chinesen dabei nicht alleine stehen, zeigte ein Blick ins Arsenal der Hutus und Tutsis nach dem Bürgerkriegsgemetzel 1994 in Ruanda, dem eine Million Menschen zum Opfer fielen: Neben chinesischen waren da Waffen aus Frankreich, Belgien, Südkorea, Israel und Südafrika vertreten. Die Waffenlieferungen, so Amnesty International, liefen auch noch zu einer Zeit, als die UNO längst ein Waffenembargo verhängt hatte.

Destination Bürgerkrieg

Gerade im globalen Unruheherd Äquatorialafrika blüht der Handel mit Waffen jedweder Provenienz: Angola, Äthiopien, Burundi, Eritrea, Kongo, Liberia, Sierra Leone, Sudan, Uganda # überall wird mit Waffen aus Industrie- und Schwellenländern gemordet. 17,4 Milliarden Dollar flossen dafür aus diesen Armenhäusern der Welt in Richtung Waffenindustrie # eine Art Quadratur der Ausbeutung.

Entwicklungshelfer laufen schon seit Jahrzehnten gegen den Waffenhandel und seine Folgen Sturm # vergeblich, wie sich zeigt. Denn selbst Länder, deren Politiker sich mit Demokratie und der Verteidigung der Menschenrechte brüsten, wie Frankreich oder Deutschland, zählen zu den globalen Hauptwaffenexporteuren.

Was nach der Lieferung mit den Militärgeräten passiert, interessiert die Produzenten herzlich wenig. Hinter den offiziellen Deals herrscht jedenfalls die riesige Grauzone illegaler Waffentransfers, bei denen auch mit radioaktivem Material gehandelt wird. Erfassbar werden zumeist nur die Auswirkungen des #konventionellen# Bereichs: Mindestens 120.000 Kriegstote gibt es jährlich (Quelle BICC). Amnesty schätzt die Zahl der Toten durch Waffen gar auf 500.000.

Gibt es Ansätze, dass sich diese Praxis ändern könnte? Seit 2003 wird über eine international bindende Waffenhandels-Vereinbarung diskutiert. Das heißt nicht viel, denn über Expertenebene hinaus sind die Verhandlungen noch nicht gediehen. Immerhin zeigen sich die USA, mit einem Exportvolumen von 55 Milliarden Dollar weltweit führende Waffenhandelsnation, nun grundsätzlich bereit, an Verhandlungen teilzunehmen. Mit einem schnellen Ergebnis ist dabei allerdings nicht zu rechnen. Frühestens 2012 soll ein Vertragsentwurf vorliegen.

Zu diesem Zeitpunkt werden 1,7 Milliarden Euro aus Griechenland wohl längst bei den Waffenkonzernen ThyssenKrupp und Kraus-Maffei Wegmann gelandet sein. Die Athener Regierung dürfte dann # wie sie selbst ankündigt # auf Käufersuche für ihre neuen U-Boote sein. Wer das sonderbar findet, wird noch verwunderter sein, erfährt er, dass der Erlös nicht zur Budgetkonsolidierung sondern zum Kauf französischer Fregatten, russischer Schützenpanzer und 40 neuer Kampfflugzeuge verwendet werden soll.

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