Polens Kampfdrohnen: Aufstieg in die Militär-Elite
Überraschend kauft Polen türkische Kampfdrohnen. Ab 2022 wird das Land neben Frankreich das einzige EU-Land sein, das dieses Waffensystem einsetzen kann. Mit dem Deal wertet sich Warschau in Europa militärisch auf – und sendet Signale an Russland und die USA.
Überraschend kauft Polen türkische Kampfdrohnen. Ab 2022 wird das Land neben Frankreich das einzige EU-Land sein, das dieses Waffensystem einsetzen kann. Mit dem Deal wertet sich Warschau in Europa militärisch auf – und sendet Signale an Russland und die USA.
Es war eine Ankündigung, die sogar Insider überraschte: Am 19. Mai veröffentlichte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak auf Twitter ein Bild von einer türkischen Drohne vom Typ Bayraktar TB2. Auf ihrem Rumpf und Höhenruder waren eine polnische Fahne und die Kokarde der polnischen Luftstreitkräfte zu erkennen. „Bald schon gibt es gute Neuigkeiten“, schrieb der Minister dazu. Tatsächlich reiste Błaszczak nur wenige Tage später in einer Delegation von Staatspräsident Andrzej Duda nach Ankara. Am 24. Mai unterzeichnete er dort zusammen mit dem Chef des Waffenherstellers Baykar, Haluk Bayraktar, und in Anwesenheit von Duda und dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan die Verträge über den Kauf von 24 bewaffneten Drohnen. Die ersten sechs sollen bereits 2022 an Polen geliefert werden.
Angeblich verhandelten die polnische und die türkische Seite bereits vor Monaten im Geheimen. Anhörungen oder gar eine öffentliche Drohnendebatte, wie sie schon seit Jahren in Deutschland geführt wird, gab es in Polen nicht. So dauerte es nur wenige Tage von der Kaufankündigung bis zum Abschluss des polnisch-türkischen Deals – der das EU- und NATO-Mitglied Polen plötzlich zu einem der wenigen Länder macht, die fähig sind, bewaffnete Drohnen einzusetzen. „Polen steigt nun in einen exklusive Klub auf“, sagt Ulrike Franke, Sicherheitsexpertin, spezialisiert auf Drohnen, beim Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR) im Gespräch mit der FURCHE. Nach Frankreich, das US-Drohnen einsetzt, wird Polen das zweite EU-Land sein, das über entsprechende Systeme verfügt.
Sicherheitspolitischer Coup
Warschau wird dadurch sicherheitspolitisch in Europa enorm aufgewertet. Da es die sogenannte Ostflanke der NATO sichert, gilt Polen ohnehin als militärisches Schwergewicht. Das Land zählt zu den wenigen Ländern, die regelmäßig zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufbringen und somit die Vorgaben der NATO erfüllen. Die polnische Regierung strebt sogar an, diese Marke auf 2,5 Prozent anzuheben.
Mit der Anschaffung von Kampfdrohnen unterstreicht Warschau nun seinen Anspruch, von großen EU-Ländern wie Frankreich oder Deutschland auf Augenhöhe behandelt zu werden. Dabei besitzt Deutschland nicht einmal die Fähigkeit, Kampfdrohnen einzusetzen. Die Bedeutung des polnisch-türkischen Drohnendeals geht über Polen oder die EU hinaus. Er ist auch ein Signal an Russland und die USA. Denn eigentlich zählt Polen nach Saudi-Arabien weltweit zu den wichtigsten Abnehmern von US-Waffensystemen. Vor allem nach dem Sieg der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den Parlamentswahlen 2015 setzte die polnische Regierung zur Modernisierung ihrer Streitkräfte fast ausschließlich auf Verträge mit Washington. Unter anderem entschied sie sich zur Anschaffung von 32 F-35-Kampfflugzeugen mit einem Kaufvolumen von 6,5 Milliarden Dollar. Auch wurden Gespräche über den Ankauf amerikanischer Drohnen geführt. Damit dürfte es jetzt vorbei sein.
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