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... um den bedrohten Frieden zu bewahren

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Anläßlich des beginnenden Maimonats, des Marienmonats der Kirche, richtete Papst Paul VI. eine Enzyklika an die Welt, in der er in besonderer Weise zur Erhaltung des bedrohten Weltfriedens aufrief. Die Stunde sei ernst, stellte der Papst in der Enzyklika, die den Titel „Mense maio“ (Im Monat Mai) trägt, fest. Die internationale Lage sei mehr als je dunkel und ungewiß, da neue schwere Bedrohungen das hohe Gut des Friedens in der Welt gefährden.

„Als ob die tragischen Erfahrungen der zwei Kriege, die die erste Hälfte unseres Jahrhunderts mit Blut getränkt haben, nichts gelehrt hätten, erleben wir heute in einigen Teilen der Welt eine furchterregende Verschärfung der Gegensätze unter den Völkern und sehen wir das gefährliche Spiel sich wiederholen, daß man — statt in Verhandlungen — in der Gewalt der Waffen seine Zuflucht sucht, um die Fragen zu lösen, die die streitenden Parteien auseinander bringen. Das hat zur Folge, daß die Bevölkerung ganzer Nationen unsagbaren Leiden ausgesetzt ist, die durch Agitationen, Kleinkrieg und Kriegshandlungen verursacht wurden, die sich immer mehr ausweiten und stärker werden und die jeden Augenblick einen neuen schweren Konflikt auslösen könnten.

Angesichts dieser schweren Bedrohung des internationalen Lebens erachten Wir es für notwendig, im Bewußtsein Unserer Verantwortung als oberster Hirte, Unsere Sorge und Befürchtung zum Ausdruck zu bringen, damit die Streitigkeiten sich nicht derart zuspitzen, daß sie zum blutigen Konflikt ausarten. Wir bitten darum alle Verantwortlichen des öffentlichen Lebens inständig, nicht taub zu bleiben für das einmütige Verlangen der Menschheit nach Frieden. Sie sollen tun, was in ihrer Macht steht, um den bedrohten Frieden zu bewahren. Sie sollen fortfahren, Gespräche und Verhandlungen auf allen Ebenen und zu allen Zeiten zu fördern und zu begünstigen, nur um die gefahrbringende Zuflucht zu den Waffen mit all ihren traurigen materiellen, geistigen und moralischen Folgen aufzuhalten. Man trachte darnach, auf dem Rechtsweg jedes wahre und aufrichtige Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden ausfindig zu machen, um es zu ermutigen und zur Wirkung zu bringen, und man schenke jedem loyalen Akt guten Willens Vertrauen, so daß das positive Anliegen der Ordnung stärker sei als Unordnung und Ruin.

Leider müssen Wir in diesem schmerzlichen Augenblick mit großer Bitterkeit feststellen, daß man sehr oft die schuldige Achtung vor der Heiligkeit und Unverletzbarkeit des menschlichen Lebens vergißt und zu Systemen und Haltungen seine Zuflucht nimmt, die in offenem Widerspruch stehen mit dem sittlichen Empfinden und den Gewohnheiten eines zivilisierten Volkes. Hier können Wir es nicht unterlassen, Unsere Stimme zu erheben in Verteidigung der menschlichen Würde und der christlichen Kultur, um Kleinkriege, Terrorismus, Gefangennahme von Geiseln und Repressalien gegen wehrlose Bevölkerung zu beklagen. Das sind Verbrechen, die, während sie den Fortschritt des Empfindens für Recht und Menschlichkeit aufhalten, die streitenden Parteien immer mehr erbittern, die noch offenen Wege des gegenseitigen guten Willens versperren oder wenigstens jene Verhandlungen immer mehr erschweren können, die, wenn sie offen und loyal geführt werden, zu einer vernünftigen Übereinkunft führen müßten.

Diese Unsere Sorgen sind nicht von Sonderinteressen bestimmt, sondern einzig vom Verlangen nach dem Schutz der Leidenden und nach dem wahren Wohl aller Völker. Wir wollen hoffen, daß das Bewußtsein der eigenen Verantwortung vor Gott und vor der Geschichte genügend Kraft besitzt, um die Regierungen zu veranlassen, fortzufahren in ihren großmütigen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens, und um soweit als möglich die wirklichen oder psychologischen Hindernisse zu beseitigen, die einer sicheren und aufrichtigen Verständigung im Wege stehen.

Aber der Friede, ehrwürdige Brüder, ist nicht nur unser menschliches Werk, er ist auch und vor allem eine Gabe Gottes. Der Friede kommt vom Himmel. Er wird unter den Menschen herrschen, wenn wir es wirklich verdienen, daß er von Gott, dem Allmächtigen, gegeben wird, der wie das Glück und das Geschick der Völker so auch die Herzen der Menschen in Seinen Händen hält. Darum werden Wir fortfahren, um dieses hohe Gut zu bitten, beharrlich und wachsam, wie es die Kirche immer, von Anfang an, getan hat. In besonderer Weise nehmen Wir unsere Zuflucht zur Fürsprache und zum Schutz der Jungfrau Maria, c'ie die Königin des Friedens ist.“

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