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Wie reich ist der Deutsche?

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Die deutschen aus der Bundesrepublik stehen in dem nicht unbedingt beglückenden Ruf, zu den Reichen dieser Welt zu zählen. Die Weltbank, die über alle nötigen Zahlen, Informationen und Unterlagen verfügt, hat diesen Irrtum jetzt richtiggestellt: In der Weltrangliste des

Wohlstands stehen die Bürger des freien Teils Deutschlands erst an zehnter (die „DDR“-Deutschen an fünfzehnter) Stelle. Untrüglicher Barometer für solche Untersuchungen ist das Bruttosozialprodukt. Es zeigt objektiv den Wert aller erzeugten Güter und Dienstleistungen an, und jeder Erdenbewohner mit einer Ausnahme kann in dieser Liste der Weltbank ablesen, welchen Stellenwert er — oder vielmehr die Volkswirtschaft seines Landes — einnimmt. Geteilt durch die Zahl der Einwohner, ergibt dieser Gesamtwert dann das, was dem einzelner im Durchschnitt zur Verfügung steht. Das einzige Land, das sich dieser Durchleuchtung entzogen hat, ist die Volksrepublik China.

Mit etwa 3520 Dollar pro Kopf und Jahr liegen die USA an der Spitze. Es folgt Schweden mit großem Abstand: 2225 Dollar. Danach kommen die Schweiz, Kanada, Neuseeland, Australien, Dänemark, Frankreich, Norwegen und dann die Bundesrepublik Deutschland mit nur 566 DM (rund 145 US-Dollar) pro Kopf und Jahr.

Die Liste gibt ein Bild des Lebensstandards, nicht aber der Lebensgewohnheiten. Die Franzosen, zum Beispiel, stehen besser da als die Deutschen, wohnen aber oft schlechter auf Grund einer freiwilligen, wenn auch traditionell verankerten Entscheidung: sie geben mehr Geld für Essen und Trinken aus, und das übersieht man leichter als eine gut eingerichtete Wohnung. Sie reisen auch weniger als die Deutschen, aber viele von ihnen leisten sich etwas, was man im Ausland nicht bemerkt: das eigene Ferienhaus, das im Grunde teurer ist als viele Gesellschaftsreisen ins Ausland. Die

Lebensgewohnheiten können also das Bild verzerren. Noch besser als Frankreich geht es, wie die Liste zeigt, nicht nur der Schweiz und den drei skandinavischen Ländern, sondern auch den Erben des britischen Dominions, während Großbritannien selbst erst an zwölfter Stelle — hinter Belgien — zu finden ist.

Symbol „Auto“

Übrigens liegen dieser Liste, von der Weltbank jetzt erarbeitet, die Statistiken von 1966 zugrunde. Inzwischen dürften sich einige Plätze verschoben haben. Während in den Industriestaaten das Bruttosozialprodukt jährlich um fünf bis acht Prozent wächst, brachte es Japan auf eine Zuwachsrate von 15 Prozent. Es stand 1966 auf Platz 21 hinter der Sowjetunion. Inzwischen ist es gewiß aufgerückt, aber im Vergleich zu der gewaltigen industriellen Entwicklung in Japan dürfte der Lebensstandard immer noch relativ bescheiden sein.

Wie gesagt, der Schein kann trügen. In der Bundesrepublik gilt das Auto als das Symbol des Wohlstands — Motorräder gibt es kaum noch, und Fernsehapparate und Waschmaschinen sind längst selbstverständlich geworden —; aber dieses Symbol spart sich so mancher vom Munde ab, denn die Lebensmittel sind teuer. Auch die Urlaubsreise ist oft knapp kalkuliert, und der südeuropäische Kellner, der von einem deutschen Reisenden reichliche Trinkgelder erwartet, weil er ihn für wohlhabend hält, irrt sich. Zu dem Unterschied der Lebensgewohnheiten kommt hier der Unterschied der Mentalität: die germanischen und anglo-ameri- kanischen Völker sind reiselustiger, neugieriger als die romanischen; um die Welt kennenzulernen, verzichten sie auf manche Annehmlichkeit des Lebens.

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