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Romako — Picasso
Anton Romako (1832—1889) ist einer der besten Maler, die Österreich jemals hervorgebracht hat; dennoch ist er kaum bekannt — es existiert nicht einmal eine Monographie über ihn, von großen Phasen seines Lebens wissen wir gar nichts, die meisten seiner Bilder sind vorderhand nicht datierbar. Seit Romakos Tod wurden in Wien schon drei umfangreichere Ausstellungen seiner Werke veranstaltet; aber keine verschaffte Romako auch nur in seinem eigenen Vaterland jene allgemeine Würdigung, die ihm längst gebührt hätte. Dies wird, wir hoffen es sehr, der vierten und größten Ausstellung, die derzeit in der Akademie der bildenden Künste stattfindet, wahrscheinlich gelingen. Sie zeigt fast alles, was von diesem geheimnisvollen und großartigen Maler auf die Nachwelt gekommen ist — Bilder, in denen das 19. Jahrhundert, seine Konventionen, seine Dämonie, seine gefährlichen und rauschhaften Träume, seine Hektik und Dekadenz wie im Brennpunkt einer scharfen Linse eingefangen wurde. Seltsame Bilder, in denen das Erhabene neben dem Lächerlichen, die gefährliche Ubersteigerung neben dem tiefsten Ernst steht, mit denen ein genialer Außenseiter eine ganze Reihe von späteren Entwicklungsstufen der europäischen Kunst vorwegnimmt! Der empfindlichere Besucher dieser Ausstellung wird stets zwischen Anziehung und Abstoßung schwanken, stets fasziniert sein, sich der nervösen und fast monomanischen Besessenheit, mit der Romako seine Phantasien und realen Darstellungsobjekte im Bilde fixierte, niemals entziehen können. Es gibt Werke in dieser Ausstellung, die sich unter den Augen des Betrachters buchstäblich verwandeln, vexato-risch, irritierend, schwindelerregend — was eben noch fast süßlich erschien, wird bei näherem Zusehen gallig bitter, nahezu zur ätzenden Karikatur, was erst den Blick verwirrte, ordnet sich, wenn man einen Schritt weiter zurücktritt, plötzlich in fast monumentalen Formen. — Diese Exposition ist eine der .schönsten, die seit Kriegsende in Wien zu sehen war und vielleicht die wichtigste. Wenn man sie gesehen hat, dann hat man von der österreichischen Malerei der neueren Zeit eine andere und höhere Vorstellung.
Die A1 b e r t i n a zeigt unter dem etwas mißverständlichen Titel „Klassiker des Kubismus in Frankreich“ eine große Auswahl von graphischen Arbeiten P i c a s s o s, jenes Künstlers also, in dessen Namen unfehlbar jede Auseinandersetzung über die „moderne Kunst“ zu beginnen und zu enden pflegt. Nun, es gibt nicht einen, sondern viele Picassos — es gibt einen abstrakten, einen surrealistischen, einen konstruktivistischen; einen akademischen und noch ein gutes Dutzend anderer Pieassos. In der Ausstellung der AJber-tina ist hauptsächlich der „klassische“ Picasso zu sehen, über den sich alle Diskussionen erübrigen; denn wie sollte man über Kompositionen streiten, welche die Klarheit und völlige- Erfaßbarkeit griechischer Vasenmalereien besitzen und nicht eine einzige jener „Verzemtrigen“ aufweisen, die als so etfärak-teristsch für Ficassös Bilder gelte? Von dem luziferisdien Picasso, der aus widernatürlichen Kreuzungen monströse Ungeheuer schafft, von dem großen Spiegelfechter mit seinen ironisch-boshaften Kunststückchen ist hier kaum etwas zu merken — einiges zeigt ihn als den seltsamen Fabel- und Sageherzähler, der er auch noch ist. Aber das Hauptgewicht liegt in dieser Ausstellung eben doch auf deri Versuchen des berühmten Spaniers, der klassischen Form nachzuspüren; sie bieten' keinen Anlaß zu Auseinandersetzungen, aber ergeben eine überraschend hübsche und heitere Ausstellung.
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