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Die Wunde

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In dieser Woche befassen sich Wien und Röm mit Südtirol.

Das österreichische Voll befaßt sich seit 40 Jahren, oft schmerzergriffen, mit der Wunde Südtirol.

Am stärksten wirkte bei allen Südtirolkundgebungen und Andreas-Hofer-Feiern, die in diesen Tagen stattfanden, die stille Trauer. Ein Schmerz ohne Worte, der über die Fahnen, die Salven, die Reden und Aufmärsche hifiausweist. Das ist eine spezifisch österreichische Trauer, die jenseits der Grenzen unseres Landes oft mißverstanden, übersehen wird, da sie nur selten so sichtbare äußere Ausdrucksformen findet.

Neben dem Schmerz steht die Politik. Aufgabe einer gesunden ‘Politik ist es, Wunden zu heilen. In eben diesen Tagen werden politische und ßirtüpolitische Vertreter des Abendlandes beschämt durch die kühne Tat, durch die Friedenspolitik muselmanischer Türken und orthodoxer Griechen. Uralter Volkshaß und Glaubenshaß läßt sich überwinden: in Zypern. In Südtirol aber will und will es nicht zur Ruhe kommen.

Wir haben seit Jahren beharrlich darauf bestanden, die italienische innenpolitische Komponente des Südtirolproblems herauszustellen. Jetzt zeigen die harten Tatsachen, wie sehr wir hier recht sahen: diese innenpolitische Schlagseite der Südtirolfrage muß klar gesehen werden. Sie ist geeignet, viele Illusionen zu zerstören. Die Illusion vor allem, als böte eine große, sehr rechtsbetonte „Internationale” den Völkern Schutz, Frieden, Freiheit. Unter den verschiedensten Titeln wird ja auch bei uns die Demokratie untergraben und für einen Bund europäischer Völker unter Führung starker Männer und kleiner Rechtsgruppen Propaganda gemacht. Südtirol zeigt der Weltöffentlichkeit und gerade auch dem österreichischen Volk: Diese Rechtsgruppen sind nicht nur keine Gewähr, sondern sie sind, als Männer im Schatten von gestern, geradezu die geschworenen Feinde der Menschenrechte, der Freiheit, der Demokratie.

In diesem, Sinne ist das böse Schauspiel zu besehen: die Kampagne des rechten Flügels der Democristiani, der Monarchisten und Neofaschisten unisono, tutt quanti gegen das Volk von Südtirol und seine christlich-demokratischen Politiker. Das ist ein Menetekel für die innenpolitischen Perspektiven nicht nur in Italien, sondern im ganzen freien Europa. DeU Kampf gegen das Volk von Südtirol ist in engstem Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Demokratie, mit dem Erstarken halbtotalitärer Tendenzen in den noch demokratischen Ländern Europas zu sehen.

Was uns zunächst angeht: Wir haben im. Kampf um die Menschenrechte in Südtirol eine Bewährungsprobe für unseren Freiheitssinn, für eine gesunde Politik, für unsere Demokratie abzulegen. Diese dreifache Probe steht Regierung und Volk bevor. Sie steht uns zu: Hier haben wir zu zeigen, was wir aus unserer Vergangenheit gelernt haben und was wir in der Zukunft wirklich können, indem wir eine notwendige Auseinandersetzung mit Kraft, Geduld und konstruktiver außen- und innenpolitischer Arbeit angehen. An Forum stehen uns genug zur Verfügung: von der UNO bis zu allen Märkten und Gremien, in denen wir mit Italien und den Völkern der Welt zusammenzutreffen haben.

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