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Doch ach, ein „Fäustchen“ nur!

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In den locker gefügten Szenen des .Urfaust“ werden mehr innere als ußere Momente dargestellt; ein in lohem Maße geistiges Drama um die nenschlichen Urmöglichkeiten und Jrgrenzen, dessen äußeres Geschehen von Goethe noch weitgehend ausgespart worden ist. Erst n der vollendeten Tragödie weiten ich die Stationen eines Überschaukaren Daseins zum Welttheater, 'ragme.nt bleibt Fragment, auch venn es Goethe mit genialer Dra naturie geschaffen und mit dem türmischen Atem seiner Sprache usgestattet hat. Spielt man den Entwurf, muß die Aufführung von ich aus so zwingend wirken, daß das ;roße fertige Gebilde des ersten feiles nicht im Weg steht. Sie muß heaterkräftig sein und weitab vom :onservativen Biidungstheater mit em vom Publikum seit je beifällig ufgenommenen und bemurmelten -Sitatenschatz. Vor allem aber hat ler Hauptdarsteller (wenigstens an-lähernd) das Kunststück fertigzu-tringen, in Faust den Denker, Zau->erer, sinnlich-übersinnlichen Lieb-,aber erstehen zu lassen, die Jchwärmeraien der Sturm- und Jrangzeit mit dem Typ des Forchers und Täters glaubhaft zu ver-inen. In einer Aufführung der Mchtung auf einer der repräsenta-iven Bühnen Europas müßte sich

der Kosmos über dem großen Spiel um die Seele dieses ebenso schwärmerischen wie rücksichtslosen Welt-umfassers bewegen und etwas von der Grundidee des Faust in unserer Zeit sichtbar werden. Sonst weht einem Gleichgültigkeit und Langeweile aus dem nun einmal Gewaltigsten an, was für das deutsche Theater geschrieben worden ist.

Die Aufführung im Burgtheater unter der Regie von Heinz Schirk (Darmstadt) leidet darunter, daß der Faust von Wolfgang Stendar nicht die darstellerische Intensität besitzt, um Faustens innere Not, sein Suchenmüssen, so gegenwärtig zu machen, daß die ganze Größe der Aus-einandersetaung spürbar wird. Ein steifer, farbloser Faust deklamiert, von Kraft, vom Sturm und Drang des jungen Goethe nicht eine Spur. So bleibt der feiste, zynische Mephisto (Heinrich Schweiger) eigentlich ohne Partner — wenn man akzeptiert, daß für unsere Sicht heute Mephisto und Faust im Grunde ein und' dasselbe sind. Ein schmieriger Bösling, darf er seine ihm von der Regie ausgiebig zugedachten (vom Publikum auch brav belachten) Gags und Mätzchen mit komödiantischer Verve ausspielen und so etwas Farbe in das trübe Geschehen bringen. Gretchen ist trotz ihrer Jugend, ihrer schlichten, beseelten Naivität,

kein in sich ruhendes, süßes Wesen. Der gnadenlose Verlauf ihres Schicksals kommt in den drei „Volksliedern“ zu Worte. Inge Konradi (treffliche Nestroy- und Schnitzler-Darstellerin) ist als Gretchen eine arge Fehlbesetzung. Stimme, Habitus, Bewegungen wirken viel zu frauenhaft (wo strahlende, zarte, helle Kadenzen not täten); alles Mädchenhafte bleibt nur gemimt, mag ihr auch der eine oder andere innige Ton (Meine Ruhe ist hin. Ach, neige, du Schmerzensreiche.) gelingen. Die Wahnsinnszene im Kerker ist von

geradezu peinlicher Äußerlichkeit. Hugo Thimig muß den Famulus Wagner als ein skurilles, altes Männchen spielen. Blanche Aubry gibt, etwas maniriert, die griffige, lustige Marthe. Lebendig die Szene in Auerbachs Keller (Jost, Benning, Schratt, Krinzinger). Das recht uneinheitliche, wenig beeindruckende Bühnenbild mit den vielen Hängeteilen (die aber raschesten Szenenwechsel ermöglichen) stammt von Lots Egg. Es war ein recht unfestlicher Theaterabend ohne jede geistige Spannung.

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