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Debakel im Spektakel

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Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Einrichtung des „Faust“, erster Teil, die der technische Regisseur Otomar Krejca für das Burgtheater geschaffen hat, brachten wir bereits in Nummer 19 der FURCHE. Die gravierenden Änderungen gegenüber Goethes Text waren aus dem umfangreichen Manuskript zu ersehen. Nun erfolgte die nahezu vierstündige Premiere, bei der das Publikum am Schluß nur flau Beifall spendete, aber keineswegs protestierte.

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Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Einrichtung des „Faust“, erster Teil, die der technische Regisseur Otomar Krejca für das Burgtheater geschaffen hat, brachten wir bereits in Nummer 19 der FURCHE. Die gravierenden Änderungen gegenüber Goethes Text waren aus dem umfangreichen Manuskript zu ersehen. Nun erfolgte die nahezu vierstündige Premiere, bei der das Publikum am Schluß nur flau Beifall spendete, aber keineswegs protestierte.

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Änderungen? Sie können selbstverständlich auch an bedeutenden Werken vertretbar sein. Das zeigt sich an Wiener Aufführungen, vor kurzem von „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ sowie derzeit des „Woyzeck“. Es kommt auf den Fall an. Änderungen, wie sie Krejca vornimmt, sind aber schwerer Unfug, da durch seine Manipulationen der Gehalt des „Faust“ nicht zur Geltung kommt, ja, vergewaltigt wird. Er degradiert hier Dichtung mit plumpen theatralischen Mitteln zur Show.

Vergewaltigung, Show, das ist nicht zuviel gesagt. Die Einrichtung Krejcas — es wurde in diesem Blatt sdhon gesagt — hat den „Herrn“ und die Erzengel aus dem Stück entfernt, schneidet die großartigen Worte der Engel mitten hinein in den ersten Faust-Monolog, schneidet immer wieder andere Monologe ineinander, so daß sie sich gegenseitig erschlagen, lenkt von den geistig entscheidenden, im besonderen auch von den ganz verinnerlichten Szenen durch peinlich sitörend angeordnete Simultanvorgänge ab. Gretchens Mutter tritt auf, die im Originaltext nur erwähnt ist, es wird auch #hr Begräbnis, ebenso das des Valentin vorgeführt, das es gleichfalls bei Goethe nicht gibt. Schließlich müssen wir auch noch den Riichtblock sehen, worauf vorübergehend — Faust seinen Kopf legt.

Gegenüber der geplanten, im Manuskript festgelegten Einrichtung zeigen sich bei der Aufführung einige Änderungen. Die mit den beiden Hauptgestallten sympathisierenden „Fausten“ und „Mephisto-pheles*“ treten weniger stark hervor. Es gibt nicht die Knaben mit Klappern und Ratschen im österlichen Gewoge. Der Handschlag beim Pakt von Faust mit Mephisto wird nicht von anderen auf der Bühne Anwesenden wiederholt, Faust unterzeichnet nun doch mit einem Blutstropfen. Statt fünf Schülern treten

in der Schülerszene drei auf. Die Desillusionierung mit „Arbeitslieht“ nach der Walpurgisnachtszene unterbleibt. Auf den Henker mit Beil wird auf dem Blutgerüst verzichtet. Btesinnung des Regisseurs? Aber dann gibt es den von Krejca eingeführten „Pfaffen“, nicht nur die Mutter spricht nun einige Verse, sondern auch dieser Geistliche, und zwar gerade er, die Worte Mephistos vom guten Magen der Kirche, der ungerechtes Gut verdauen kann.

Der Bühnenbildner Lois Egg beschränkte sich darauf, von hoch oben herabhängende weiße und etwas dunklere Schleiervorhänge dn wechselnder Anordnung und Beleuchtung und ansonsten nur Versatzstücke und einzelne Möbel zu zeigen. Die Darsteller der im Realen spielenden Szenen tragen (Kostümbildner Jan Skalicky) Biedermeierkostüme, die Männer, auch Mephisto, Gehröcke und hohe Zylinder. Das soll wohl die Säkularisierung des „Faust“ eher glaubhaft machen. Doch ist weiter über diese Inszenierung zu berichten: Die Worte des Erdgeists werden von einer geballten Menschengruppe gesprochen. In der „Studierstube“ gibt ein Skelett Händchen. In der Wirrnis des Ineinandergeschobenen kommt nicht einmal die weniger gestörte Auerbach-Szene zur Wirkung. Vor den feierlichen Vorhängen verliert sie sich. Die Schmähung Lieschens wird zum theatralisch aufgebauschten Effektauftritt. Da nicht jedes Mädchen „so rein hält“, muß sich Gretchen vor uns waschen. Dann spricht sie im Dom ihre Seelenpein laut hinein in die Schar der Kndeenden, geht durch sie hindurch, wird von Martlhe abgeschleppt. Der überaus wichtige Zauberbereich der Walpurgisnacht entartet vor einer Grottenbahndekora-tion mit Nachtlokaldamen zu einer Fasdhingsnacht aus der Offenbachzeit. Das soll genügen.

Den geistigen Gehalt des Faust läßt Rolf Boysen völlig vermissen, er

bietet Deklamationsarien in perma-iientem Fortissimo. Ungleich besser wirkt Heinz Reincke als Mephisto, wenn er sich auch mitunter zu leeren Übersteigerungen hinreißen läßt. Das gilt teilweise auch für das Gretchen von Maresa Hörbiger, die zweifellos trefflich ansetzt. Aber man muß ihnen allen zugutehalten, daß diese Mängel merkbar der Regisseur verursacht. Sonja Sutter hält sich als Marthe davon frei. Otto Tausig ist ein passabler Wagner, Klaus Behrendt ein weniger glaubhafter Direktor. Die Musik von Peter Erben bleibt verhalten.“ Worte des

Direktors im Vorspiel: ,Auf unsem deutschen Bühnen probiert ein jeder was er mag.“ Warum nicht? Es kommt auf das Ergebnis an.

• Ab Sonntag, dem 16. Mai, ist die Werner Berg-Galerie der Stadt Bleiburg in Kärnten wieder täglich von 10 bis 12, und von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Neben dem festen Bestand der Galerie, die in 9 Räumen 142 Arbeiten zeigt, werden in 2 Räumen 22 bisher nicht ausgestellte Werke zu sehen sein, von denen die meisten aus dem letzten Jahr stammen.

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