6678841-1961_34_15.jpg
Digital In Arbeit

Großes Zaubertheater: Faust I

Werbung
Werbung
Werbung

Vor 24 Jahren, am 27. August 1937, wurde in Salzburg zum letztenmal Goethes „Faust” auf geführt, und zwar in der von Clemens Holzmeister in der Felsenreitschule erbauten Fauststadt, in welcher man, unter Max Reinhardts Regie (mit Balser, Pallenberg und Paula Wessely), 1933 zum erstenmal der Tragödie ersten Teil aufgeführt hatte. Goethes „Faust” ist übrigens eine Säule des Hof- mannsthalschen Festspielkonzepts, und nachdem man nun auch im neuen Festspielhaus eine entsprechende Bühne zur Verfügung hatte, war es logisch und höchst verständig, „Faust” wieder auf den Spielplan zu setzen.

Die schöne, aber keineswegs ungefährliche Aufgabe wurde Leopold Lindt- b e r g übertragen, der sich für die Bühnenbilder und Kostüme Teo Otto und als Choreographin Jeanine C h a r r a t holte. Bereits dieses Dreigestirn bot die Garantie für eine bestimmte Qualität, die tatsächlich auch erzielt wurde.

Leopold Lindtberg hat vor allem szenische Phantasie und erwies rieh sehr geschickt in der Handhabung des zwar umfangreichen, aber nicht eben sehr beweglichen Bühnenapparates. Das Fehlen einer Drehbühne nötigte zu Verwandlungen und Umbauten auf offener Bühne, aber auch hier verstand es Lindtberg, aus der Not eine Tugend zu machen. Wo es irgend ging, wurde die enorme Breite der Bühne voll ausgenützt, und es scheint uns nicht eben glücklich, daß man — wenn einer mit solchen Dimensionen etwas anzufangen weiß — von „Breitleinwand” und „Cinemascope” spricht. (Im Wiener Barocktheater, in Spanien und, heute noch, in Italien, Frankreich und Griechenland, spielt man auf noch viel größeren Bühnen!). Und Lindtberg tat gut daran, „Faust I” so viel wie möglich vom Optischen her zu inszenieren. Denn hätte er sich aufs Wort allein, auf das intime und fein nuancierte, beschränkt: er wäre von der (für musikalische Darbietungen so ausgezeichneten) wortfeindlichen Akustik des neuen Festspielhauses schmählich im Stich gelassen worden.

Teo Ottos Einheitsrahmen mit seinem kostbaren goldglänzenden Röhrlwerk, das bald an Orgelpfeifen, bald an die Streben eines gotischen Domes erinnert, erweist sich als sehr variabel und praktikabel (man kann darin zum Beispiel auch einen ganzen Sprechchor placieren!). Für die Hexenküche, den Osterspaziöfgahg und die Walpurgisnachtszene hat er ebenso großzügige wie faszinierende Lösungen gefunden: echte Visionen eines gehaltvollen

Zaubertheaters. Die schönste szenische Idee aber hat Lindtberg — und Otto hat sie prachtvoll realisiert — gleich zu Beginn, wenn während der letzten Worte des Theaterdirektors sich der eiserne Vorhang hebt, die Schauspielerschar aufmarschiert, nein, hereinströmt, sich von oben, in einer schwebenden Gondel, die Erzengel herabsenken und, vor strahlendem Tagesgestirn, der Prolog im Himmel anhebt. Sehr effektvoll ist es dann aber auch, wenn er eine ganz kleine Szene, etwa Gretchens Stube, als abgeschirmtes, hell erleuchtetes Interieur in die große dunkle Leere des riesigen Bühnenraumes stellt.

Attila Hörbiger ist ein reifer, sehr menschlicher, sympathischer, zuweilen ein wenig professoral wirkender Faust, der, auch in seinem Äußeren, nach der künstlichen Verjüngung in der Hexenküche, unverändert bleibt. Gretchen gegenüber ist er weniger der feurige Liebhaber, als der väterliche Freund, und man begreift den Zauber, den er auf das junge, zugleich aber fraulich-reife Mädchen ausübt. Aglaja Schmidt ist seine ideale Partnerin, während ihm Mephisto, trotz aller artistischen Künste, nicht ganz das Wasser reichen kann. Will Q u a d f 1 i e g zeigt als Sprecher und Schauspieler eine virtuose Leistung, aber sie paßt nicht ganz in das Gesamtkonzept dieser Aufführung. Auch in den kleineren Rollen waren erstklassige Schauspieler beschäftigt: Susi Nicoletti (Marthe Schwerdtlein), Annemarie Düringer (Lieschen), Valentin (Walter Reyer); Bruno Hübner (Wagner) und Bruno Dallansky (ein Schüler); im Vorspiel auf dem Theater: Paul Hoffmann, Peter Lühr und Boy Gobert; im Prolog im Himmel: Ewald Balser, Judith Holzmeister, Erich Auer und Wolfgang Stendar.

Von größerer Wichtigkeit als bei anderen Faust-Aufführungen, die wir kennen, war im neuen Salzburger „Faust” auch die Klangkulisse: angefangen von den vorzüglich studierten, ein wenig in Rudolf-Steiner-Manier rezitierenden Chören (Ellen Widmann) über die elektroakusti- schen Geräusche (die sich besonders zur Illustration des Dämonischen eignen) bis zur Untermalungsmusik Rolf Langneses, die freilich im Prolog recht weich und süßlich war. (Gibt es wirklich keine andere Art Musik zur Darstellung der oberen Sphäre als konventionelles akkordisches Orgelspiel?)

Im ganzen: eine festliche Aufführung, e’ih’’ größes Zauberspiel, für deniüheater- marw ¿htl’intf’ bnd intbtbssänt, fürs Publikum eine großartige Unterhaltung mit tieferer Bedeutung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung