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Sutermeister-Uraufführung

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Stockholm, Anfang Dezember 1951 Heinrich Sutermeister hat diesmal ein Wirtshaus im Schwarzwald als Schauplatz seiner neuen Oper „Der rote Stiefel“ gewählt, die vor kurzem ihre Uraufführung in Stockholm erlebte. Es war ein großer Erfolg, und der Komponist wurde wie ein Liebling des Publikums gefeiert: man erinnerte sich seiner vor drei Jahren ebenfalls an dieser Stelle zum erstenmal aufgeführten Oper „Raskolnikoff“!

Man liebt im Norden das Ungekünstelt-Herzliche, und dieses Moment scheint neben der Geneigtheit, sich durch die Blume des Märchenspiels gewisse Dinge sagen zu lassen, an der Faszinierung und schließlich spontanen Kundgebung mitgewirkt zu haben. Was auch gegen das bedeutende Werk einzuwenden wäre — es bleibt bestehen, daß es ein großes Herz hat: daß es kein Machwerk ist, sondern aus echter Menschlichkeit stammt. Und dieses Herz wird nicht mit billigen Mitteln, sondern mit der unbezwing-lichen Kraft und dem sicheren Griff eines genialen Künstlers ins Medium der Kunst übertragen. Beides sind hohe Werte, deren man ■ich in dieser Zeit dankbar bewußt bleibt.

Die Wurzel der Legende reicht in .Hauffs Märchen“, in die Werkstatt der schlagenden Herzenuhren hinein, deren geheimnisvoll bange Atmosphäre wir von der Kindheit her kennen. Sutermeister, diesmal sein eigener Librettist, verfährt freilich nach freiem Ermessen mit dem Motiv des .warmen und kalten Herzens“, das doch das eigentliche Hauptmotiv bildet.

Wir befinden uns zwar in einer Oper, wo der Text nicht die entscheidende Rolle spielt, aber Sutermeister, der mit seinem ungewöhnlichen Reichtum an musikalischen Einfällen auch treueste Gewissenhaftigkeit für jedes Detail verbindet, wünscht gerade engste Verschmelzung von Text und Musik, um durch diese Konzentration den ganzen Menschen zu erfassen. Das ist eine sehr zeitgemäße Intention, und es muß auch eingeräumt werden, daß es seiner Kunst fast durchaus gelingt, mit geringsten Mitteln eine große Szene zu dominieren und Zuschauer und Zuhörer von Anfang an in Atem zu halten. Was nur vermag er an dämonischem Klang aus dem Klavier zu gewinnen oder wie uns mit Läuten, Schnarren, Ticken, Klingen die Nähe der unheimlichen Uhrenwerkstatt vorzuführen, wo wir alle unsere Seelen verkaufen. Eine Rolle, die des Holländermichels, ist so angelegt, daß nur gesprochen wird, denn das Böse singt nicht, ist du-los. Wo aber der Dämon Meinungen sprechend zum besten gibt, wie „Zeit ist Geld, Geld ist Macht, Macht ist Glück“, läßt ein unsichtbares Vokalquartett eine zauberhafte Entgegnung hören, die auf die Liebe hinweist, Es sind Chöre im Volksliedton mit Versen von Matthias Claudius und Paul Fleming.

Bei solchen Gelegenheiten bietet die Stockholmer Oper das Beste auf, das sie an musikalischer und schauspielerischer Qualität besitzt. Herbert Sandberg dirigierte, und Birgit Cullberg, die selbst berühmte Tanzspiele wie Strindbergs „Fräulein Julie“ geschaffen hat, gab den choreographischen Möglichkeiten lebensvollen Ausdruck.

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