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Zeitlose christliche Erzählung

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SCHLACHTSCHIFF TOD. Erzählung von Dino Buzza tl. Mit Illustrationen des Autors. Hans-Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel. 70 Seiten. Preis 98 S. — HOMO VIATOR. Moderne christliche Erzählungen. Herausgegeben von Gustav Rüber. Verlag Jakob Hegner, Köln. 468 Seiten. Preis 14.80 DM.

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SCHLACHTSCHIFF TOD. Erzählung von Dino Buzza tl. Mit Illustrationen des Autors. Hans-Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel. 70 Seiten. Preis 98 S. — HOMO VIATOR. Moderne christliche Erzählungen. Herausgegeben von Gustav Rüber. Verlag Jakob Hegner, Köln. 468 Seiten. Preis 14.80 DM.

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Die christliche Erzählung (und Schöne Literatur überhaupt) von Rang, gar von Weltrang, ist längst Mangelware geworden, aus Ursachen, deren meiste und wichtigste uns bekannt sind. Auch sind die Gesichtspunkte durchaus flexibel, welche dieser oder jener Autor, Herausgeber oder Verleger anerkennt. Ist eine christliche Erzählung allein jene, die bewußt, gültige christliche Vorstellungen benützend, ein positi- vises religiöses Erleben erweckt? Oder kann unter die Bezeichnung alle jene Literatur fallen, die auch nur im entferntesten ethische und moralische Werte vertritt?

Dino Buzzatis Meistererzählung (vielleicht die größte, die er je schrieb), beschreibt, wie ein Mythos, ein luftiges Geistgebilde also, körperliche Gestalt annimmt, indem sich seine Idee, gleichsam in seelischen Schüben, verdichtet, so sehr verdichtet, daß Materiepartikel entstehen, sich ansammeln, vervielfachen, versteifen und verhärten, Wandlungen unterworfen hin zum Ziel, das in totaler Materialisation besteht. Was sich materialisiert, ist ein Machtinstrument sondergleichen, eben das Schlachtschiff Tod, dazu bestimmt, durch unerhörte Waffen, deren Kraft in metaphysische Räume reicht, den Krieg zu entscheiden.

Dieses hintergründige Geschehen ist raffiniert versteckt hinter der wundersamen Schlichtheit eines einfachen Berichtes, der zum Inhalt hat, wie ein Subaltemoffizier der deutschen Kriegsmarine nach dem Ende des Krieges auf die Suche nach einem Maat geht, der ihm unterstellt gewesen und durch einen merkwürdigen Sonderbefehl entzogen worden war. Aus vielen Mosaiksteinchen ergibt sich das Bild eines übermenschlichen Unternehmens, als welches der Bau des

Schlachtschiffes Tod nun erscheint, das, zum Glück für die Welt, zu spät fertig wird, um noch kriegsentscheidend eingesetzt werden zu können. Geheimbefehle lassen es, mit voller Kampfkraft ausgestattet, Kurs vor die südamerikanischen Küsten nehmen, wo es, mit tausenden Männern bemannt, eines allerletzten Einsatzes harrt.

Doch zu diesem Einsatz kommt es nie. Es erscheinen, aus der Überwelt in unsere dreidimensionale Welt einfahrend, transparente und doch ungeahnt kampfkräftige Geisterschiffe, die das Schlachtschiff Tod, dessen Existenz im Verlauf einer kurzen Schlacht seinen Höhepunkt als Idee und zugleich sein Ende erreicht, vernichten.

So gab Buzzati, als einer der glänzendsten und gedankentiefsten Schriftsteller der Gegenwart, ein gemeistertes und darum zeitloses und zugleich poetisches Sinnbild und Inbild von Vorgängen, deren Zeugen wir alle waren. Aus der Banalität der Authentizität entrückt, hat sich unter seiner Feder höhere Wahrheit etabliert, Wahrheit von christlichem Geschmack mit im Kern apokalyptischen Aspekten, ohne den geringsten Versuch, christliches, kirchliches Vokabular für den dichterischen Zweck einzuspannen oder von dessen Prestige zu profitieren.

Im neuen Homo-Viator-Band des Hegner-Verlages, der die vorangegangenen Dramenbände glücklich ergänzt, ist der Begriff „modern“, indem er mehr als ein Jahrhundert bestreicht, denkbar (und durchaus sinnvoll, zeitlich parallel zu den Entwicklungen in den anderen Künsten) weit gefaßt. Neben Melville, geboren 1819 (vertreten mit der berühmten Erzählung „Benito Cereno“), steht beispielsweise der ein Jahrhundert später zur Welt gekommene

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