6703421-1963_41_09.jpg
Digital In Arbeit

Schlimme erbliche Belastung

Werbung
Werbung
Werbung

Seine Gattin, eine kluge, wunderliche, zänkische, tyrannische, unleidliche Böse Sieben, hatte eine etwas weniger vornehme Aszendenz als er. Wiederum überwiegen hier die Romanen; in der 256-Ahnen-Reihe mit 151 Personen französischer, 84 italienischer, neun spanischer Nationalität, dazu zwölf Deutsche. Auch da fehlt es nicht an bemerkenswerten nahen Vorfahren: aus der Linie Orleans der Kapetinger, den italienischen Visconti und Piccolomini und weiter zurück den Grafen von Aquino — der Familie des heiligen Thomas. Am interessantesten ist Eugens Abstammung von den zwei größten Feldherren des französischen Mittelalters, Bertrand Du Guesclin und Olivier de Clisson. Dennoch wird man als wichtigstes Ahnenvermächtnis von der Vaterseite her bei Eugen die Fürstlichkeit des Auftretens und der Gesinnung ansehen. Demgegenüber steht die schlimme Belastung durch die Abkunft von der geisteskranken Johanna der Wahnsinnigen, der spanischen Königin, die einem über die englischen Lancaster empfangenen Erb- fluch erlag. Geradezu abstoßende Häßlichkeit, die mit Degenerationsanzeichen verknüpft war, bescherten die Bourbon-Soissons, von woher, auf dem Weg über französischen Hochadel, auch die Veranlagung zur Homosexualität herrührte. Derlei mag übrigens ebenfalls von der mütterlichen Aszendenz Prinz Eugens überkommen sein. Freilich hat er diesen Ahnen, und zwar mit Gewißheit, Wesentliches zu danken, das in ihm Erbgut war: sein vielfältiges Ingenium, seinen großen Charakter.

Die Mutter Prinz Eugens hieß Olympia Mancini. Ihre ungewöhnliche Persönlichkeit, ihre bewegten, der Phantasie eines Alexander Dumas entquollen anmutenden Lebensschicksale waren Gespräch, Erstaunen, Ärgernis und Gegenstand des vornehmsten Hoftratsches während der zweiten Hälfte des „Großen Jahrhunderts“. Die bezaubernde, geistreiche, verführerische, intrigante, unheimlich gescheite, herrschsüchtige und wunderschöne Frau war an allen Mittelpunkten des Barocks zu Hause.

Die mütterlichen Ahnen

Von dieser erstrahlenden, aber auch schillernden Mutter oder über sie hat Prinz Eugen fast alle seine glänzendsten Eigenschaften, außer der militärischen Begnadung, die von der Savoyerseite und von den Ahnen Clisson-Du Guesclin her auf ihn einströmte. Doch auch da müssen wir im Urteil behutsam sein. Olympias mütterlicher Oheim, der Kardinal Mazzarini, war anfangs ein brillanter Offizier, der es, wäre er beim Waffenrock geblieben, zweifellos zu hohem Rang und zu überdurchschnittlicher Leistung gebracht hätte.

Und jetzt schalten wir zurück zu seinen mütterlichen, soweit wir sie zurückverfolgen können —, mit einer kleinen spanischen Ausnahme —, rein süditalienischen Ahnen, von denen er die dunkle Hautfarbe, den feurigen Blick der schönen Augen, das schwarze Haar und die feinen, zarten Gliedmaßen geerbt hat. Olympias Vater, Michele Lorenzo Mancini, war ein hervorragender Gelehrter, Astronom und Physiker, Kenner und Mäzen der Dichtung wie der Künste, eine der bemerkenswertesten Gestalten des geistigen Rom seiner Epoche. Michele Lorenzos Gattin. Girolama Mazzarini, war Schwester des großen Kardinals Giulio, der sich als Frankreichs Erstminister Mazarin unsterbliche Verdienste um sein Adoptivvaterland, unermeßlichen Reichtum, für seine Angehörigen die Zugehörigkeit zur vornehmsten Hofgesellschaft und eine unübersehbare Schar neidischer Feinde erworben hat. Derlei Haß fand einen Niederschlag in einer eigenen Literaturgattung, den Mazarinades; in Pamphleten, die dem Kardinal alles Erdenkliche anlasteten, vor allem, das den damaligen Ansichten gemäß Ärgste, nämlich niedrige, verdächtige Herkunft. Ähnliches wurde über die Familien Mancini und Martinozzi verbreitet, in die des Verabscheuten Schwestern hineingeheiratet hatten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung