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Tanzschauspiel
In einer Benefizvorstellung zugunsten des Wiederaufbaus des Burgtheaters bringt im Akademietheater und in der Urania Rosalia Chladek mit ihrem Ensemble ein neues Tanzschauspiel, „Eine kleine Passion“, heraus.
Dieses Werk verdient nicht nur ,vom Gesichtspunkt des Tanzes, sondern auch des Theaters hohes Interesse: seine Inten tionen zielen sowohl in Richtung des Stre- bens um eine neue Tanz- wie auch Gesamtbühnenkunst.
Tanz als ein mehr oder minder harmloses Getänzel um eine Melodie, als ein sehr handgreiflicher symbolischer Vorwurf, als Ballett- und Gruppenkunst, als Folklore und andererseits als Spitzenleistung einsamer großer Könner, welche besessen vom Rausch ihres Erlebens, sich und ihr Publikum in ein Traumland hinübertanzen — das alles gibt es bekanntlich in Manifestationen sehr verschiedener Wertgrade und Schattierungen. In den Tanzklassen am Konservatorium der Stadt Wien wird aber um Neues gerungen: es geht um die erzieherische Mission des Tanzes, als eines der stärksten Ausdrucksmittel des Menschen.
Darstellung seelischer, ja geistiger Vorgänge durch die Sprache des Körpers — sie lügt nie, wie die Sprache der Worte! Wir alle wissen, wie sehr eine scheinbar belanglose Geste, ein Zucken des Hauptes, eine Bewegung der Hand, Gründe und Abgründe des Menschlichen verraten kann, sehr wider den Willen des, in diesem Falle unfreiwilligen, Schauspielers! Was aber läßt sich alles aussagen durch strenge Zucht, durch sorgfältige pflegerische Betreuung dieses dem Menschenkörper innewohnenden untrüglichen Ausdrucksvermögens! Dies ans Licht zu heben und in die strenge, weil verpflichtete Form künstlerischer Offenbarung ein-zubinden, ist das Streben Rosalia Chladeks und ihrer Gruppe. Ein Dreifaches soll damit erkämpft werden: Erziehung der Tänzer (und nicht nur zum Sprechen-lernen einer neuen Sprache), Erziehung des Publikums (zum Verständnis dieser Aussage elementarster und auch schwierigster Vorgänge des menschlichen Innenlebens) und, nicht zuletzt: ein gemeinsames Ringen um Schöpfung und Erlebnis einer neuen Gesamtkunst, welche in Wort, Ton- und Körpersprache eine umfassende Aussage der Dinge der Zeit und Ewigkeit erstrebt.
Herb, hart und fordernd, fern aller billigen, wenn auch oft mit raffinierten Mitteln Erfolg haschenden sentimentalischen Traumkunst, die in unseren Tagen wieder in allen Bereichen des Kulturbetriebs Triumphe feiert, so steht das Werk Rosalia Chladeks vor uns: — und wirbt um das Verständnis jener Einsichtigen, welche es noch wissen, daß echtes Kunstwerk sich nicht dem ichsüchtigen Genußmenschen ergibt, sondern vielmehr das Offenscin des ganzen Menschen in lauterem, redlidiem Mühen um innere Aneignung fordert: „Erwirb es, um es zu besitzen.“
Der Titelname „Eine kleine Passion“ darf nicht mißverstanden werden: nicht ein Nachbildung der Passion der öster lichen Karwoche wird hier versucht, wohl aber jenes Ringens, das, zwischen Gut und Böse, Treue und Verrat, Lust und Passion jeder Mensch in der Karwoche seines Lebens za bestehen hat.
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