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Was geschah in Stalingrad?

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Wo sind die Schuldigen? Von Heinrich Maria Waasen. Mirabell-Verlag, Salzburg.

Ohne Zahl sind die Tragödien des zweiten Weltkrieges. Mit einigen Namen jedoch verbinden sich die Gedanken an alles Grauen, an ungemessenes Leid, an nie gezählte Tränen: Warschau und die Normandie, Nettuno und der Hürtgenwald, Coventry und Dresden ... Sollten auch sie einmal in der Erinnerung späterer Geschlechter verblassen, einer wird bleiben: Stalingrad. Denn Stalingrad war nicht allein die große Wende des Schlachtenglücks, Stalingrad war und ist das Symbol jenes Krieges, von dem niemand anderer als Churchill gesagt hat, die Welt werde die Frage nach seinem Charakteristikum einmal mit „der unnotwendige“ beantworten. Der allen Überlegungen der Strategie widersprechende Kampf der Armee Paulus auf vorgeschobenem, auf aufgegebenem Posten, das sinnlose Sterben vieler tausend Soldaten der deutschen Wehrmacht in Schnee und Eis ist der ins letzte gesteigerte Ausdruck jenes Systems geworden, welches wegen des politischen Prestiges eines Mannes, einer nebulosen staatspolitischen Räson zuliebe 270.000 Männer bedenkenlos in das sichere Verderben schickte. „Stalingrad berennen und nehmen“, so lautete der Befehl Hitlers, das als verderblich erkannte, aber von den militärischen Führern unwidersprochene oberste Gesetz.

Heinrich Maria Waasen hat sich nach einem eingehenden Studium einer großen Anzahl von Quellen und Darstellungen, hauptsächlich Berichte von überlebenden Soldaten und Aussagen von Wehrmachtsgeneralen in Kriegsgefangenschaft, eine Aufgabe gestellt, die alles andere nur nicht leicht ist. Auf insgesamt 79 Seiten gibt er zunächst einen Bericht vom dramatischen Ablauf der Ereignisse. Stalingrad und das Führerhauptquartier sind die Orte der Handlung. Durch die knappe Form, die allein in der Schilderung der Schlußphase vielleicht etwas zu gedrängt erscheint, entsteht eine anschauliche Skizze des großen Schlachtengemäldes, werden die einzelnen Akte des Dramas und ihre ungenützten Rettungsmöglichkeiten überdeutlich erkennbar. So kann Waasen auch vorstoßen zu dem Versuch einer Antwort auf die von Millionen laut oder auch nur stumm gestellte Frage: Mußte es sc. kommen? Wer trägt dafür die Verantwortung, auf wem lastet die Schuld? Jetzt, fünf Jahre nach dem Ende des großen Krieges, in einer Zeit, in der die lebendigen Erinnerungen langsam zu verblassen beginnen und da und dort Versuche festzustellen sind, die Wurzeln für geistige und politische Reaktionen zu legen, ist dieses dünne Buch zu begrüßen. Sachlich und zugleich plastisch die Darstellung, ohne Abweichungen und Verbeugungen nach irgendeiner Richtung. Das einzige Zugeständnis an den Geist der Zeit, an die Geschmacklosigkeit des Leserpublikums von Broschüren: der Umschlag. Aber vielleicht muß das so sein, soll Waasens Buch breite Schichten des Volkes erreichen. Und dorthin gehört es. Dr. Kurt Skalnik

Uber ein halbes Jahrhundert Zeit und Wirtschaft. Von Eduard Heini. Verlag Wilh. Braumüller, Wien.

Eduard Heini, der als junger Mitarbeiter der Christlichsozialen Partei noch unter Lueger seine politische Laufbahn begann, später der Regierung angehörte und heute noch eine bedeutende Rolle im wirtschaftlichen Leben Österreichs spielt, erzählt in gewinnender Schlichtheit seine Erinnerungen. Bei der Niederschrift stützt er sich lediglich auf sein Gedächtnis. Gerade darin liegt der Wert dieser Autobiographie für Historiker und politisch interessierte Leser; denn nicht so sehr die aktenmäßige Genauigkeit der Einzelheiten, die aus Archiven geschöpft werden kann, wie vielmehr die Färbung des persönlichen Erlebnisses suchen wir in den Memoiren des hervorragenden Zeitgenossen, der als armer Hausmeisterbub zu höchsten Würden im Staat aufstieg und heute als Siebzigjähriger auf ein tatenreiches und erfolggekröntes Leben zurückblicken darf.

Richard Schmitz

Philosophie und Mathematik. Von Alfred

North, Whitehead. Humboldt-Verlag, Wien.

Die vorliegende Veröffentlichung einer Reihe wertvoller Aufsätze philosophischen und mathematischen Inhalts macht uns mit den Grundansichten des erst vor zwei Jahren verstorbenen englischen Gelehrten bekannt, der „die herkömmliche Philosophie, die eine statische Substanz und ihr anhaftende Qualitäten annimmt“, ablehnt und für den es in der Welt „nur ein Netzwerk von Ereignissen“ gibt, die „untereinander in Wechselbeziehung“ stehen. Der Autor nimmt zu grundlegenden Fragen der Philosophie, Physik und Mathematik in origineller Weise Stellung. Neue, oft eigenartige Lösungsversuche alter philosophischer Probleme erregen unser höchstes Interesse, fordern zu Auseinandersetzung, manchmal zu Kritik heraus. Der unvergängliche Wert der Lebensarbeit des Autors liegt wohl auf dem Gebiet der Philosophie der Mathematik. Die einzelnen hier veröffentlichten Essays geben zugleich dem mathematisch Ungeschulten Gelegenheit, sich über dieses Sachgebiet einen Überblick zu verschaffen. Dr. Alfred Holländer

Österreichs große Musiker In Dokumenten der Zeit (Haydn, Mozart, Beethoven). Hans Rutz, Osten. Buchgemeinschaft, Wien. 335 Seiten.

Populäre, aber zugleich zuverlässige Darstellungen werden heute von einer jeden Wissenschaft gefordert. Sie zu schreiben, ist keineswegs leicht, nimmt man die Aufgabe ernst. Leider ist dies selten genug der Fall) eine Fülle von oberflächlichen und verfälschenden pseudowissenschaftlichen Schriften bevölkert die Schaufenster unserer Buchläden und stiftet mehr Unheil als Heil. Zu einer ernsthaften populären Darstellung gehört wohl erarbeitetes Wissen, Verantwortungsgefühl, Takt und über alle Kenntnis hinaus eine Hand, die anregender, ja anlockender Gestaltung fähig ist. Hans Rutz' Darstellung unserer drei großen Tonheroen, Haydn, Mozart, Beethoven, mittels Selbstzeugnissen und Zeugnissen der Zeitgenossen ist ein mustergültiges Stück solch „angewandter Musikwissenschaft“, die Vermittlerin ernsthafter Kenntnis an die breiten Schichten des Volkes, an die Jugend, die Musikliebhaber sein will. Sachlich und zugleich lebendig fügt der Autor die reiche Fülle der Dokumente zu eindruckvollen und runden Bildern der Persönlichkeit, des Lebens und Schaffens der Meister zusammen und versteht es, mit kundiger Hand, den Mörtel der Verbindungen zu mischen und Lücken, die die Zeugnisse lassen, zu füllen. Uber seine Absicht, mittels dieser objektiven Darstellung durch Dokumente den Leser zur eigenen Urteilsbildung zu führen, spricht er in einem anregenden Nachwort. Man kann das Buch als ausgezeichnetes und seriöses Volksbildungswerk warm empfehlen. (Das Werk ist vorläufig nur durch die Osterr. Buchgemeinschaft, Wien, zu beziehen.)

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