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Wechselweise Hilfe

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Wenn es heute üblich geworden ist, daß gewisse Grundnahrungsmittel durch Steuergelder gestützt werden, weil einerseits die Landwirte leben, anderseits die Normalverbraucher nicht übermäßig belastet werden sollen, warum' ist es nicht möglich, daß gewisse in Kommunikation zueinander stehende Wirtschaftszweige, wie Kohlenbergbau, Wasserkraftwerke, öl und Erdgas, so miteinander verbunden werden, daß sie sich wechselweise helfen, aber auch über künftige Entwicklungen einvernehmlich planen? Bei einer so ineinander verflochtenen Wirtschaft, wie sie heute besteht und anders gar nicht bestehen kann, dürfte nach meinem Laienverstand ohne sinnvoll zusammenschauende Großkonzepte nicht mehr auszukommen sein. Manchmal gewinnt man den Eindruck, daß solche Konzepte nur deshalb nicht gelingen, weil Inhaber von Schreibtischen und Funktionäre, die überflüssig würden, von ihren zweifellos einträglichen Posten nicht abtreten wollen.

Im Interesse aller

Sicher ist jedem Einsichtigen klar, daß ein kleines Land wie Österreich seine Wirtschaft nicht isoliert führen kann und immer von der Konjunktur oder Depression der Umgebung und der größeren Staaten beeinflußt wird. Aber ebenso wie man es für richtig erachtet, zurrt Schutz der Grenzen ein Heer zu unterhalten, müßten weitschauend stets auch Krisensituationen ins Kalkül gezogen werden, in denen uns dann der heimische Kohlenbergbau wenigstens in etwa wertvolle Energiequellen sichert, um Spitäler, Schulen und andere lebenswichtige öffentliche Einrichtungen zu versorgen. So ist an diesen Fragen das ganze Volk interessiert, weil unter Umständen sein Wohl und Weh daranhängt.

Ich hoffe nun auf Verständnis, wenn ich mich abermals mit einem Schreiben an die Verantwortlichen in Regierung und anderen zuständigen Stellen mit der Bitte wende, dem aufgezeigten Problem die

größte Aufmerksamkeit zu schenken. Die Bergarbeiter — nicht nur in Fohnsdorf — warten darauf, daß sie bald bindend erfahren, was mit ihnen geschehen soll. Sie haben ein Recht darauf, aus der lähmenden Ungewißheit befreit zu werden. Sie sehen begreiflicherweise die Zukunft ihres Betriebes und ihr eigenes Geschick als Lebensfrage an.

Ohne mich in die Kompetenzen der Regierung in Bund und Land sowie der anderen maßgeblichen Stellen einmischen zu wollen, so kann ich doch als der verantwortliche Vorsteher der katholischen

Kirche in der Steiermark dort nicht schweigen, wo viele einzelne, ja ganze Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten in Gefahr sind, schweren Schaden zu erleiden. Ich berufe mich dabei auf das Dokument des II. Vatikanischen Konzils, in dem es einleitend heißt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Durch entsagungsvolle Arbeit haben sich viele Arbeiter ihre Häuser gebaut und Wohnungen geschaffen. Sie möchten, daß diese Werte ihnen erhalten bleiben, aber sie bangen darum. Sie haben gehofft, daß sie im Alter die Früchte ihrer Arbeit unbesorgt genießen können; nun steht auch dahinter ein Fragezeichen. Sie haben ihre Familien nach anstrengender Tätigkeit als bergende Heimstätte betrachtet. Soll diese gefährdet wer-

den, wenn sie vielleicht als Wochenpendler irgendwo eine kümmerliche Unterkunft haben und sich selbst überlassen bleiben?

Alle Kräfte vereint

Die Lösung der Probleme des österreichischen Bergbaues ist gewiß eine wirtschaftliche Frage. Aber sie ist das nicht allein, sie ist ebenso eine eminent menschliche Frage, und diese hat, wo es eben um lebendige Menschen geht, sogar den Vorrang. Das veranlaßt mich ja, mich zu Wort zu melden. Der vorbildliche Kameradschaftssinn der Knappen, der sich erst kürzlich wieder bei der Katastrophe in Kärnten eindrucksvoll gezeigt hat, ist wohl einer gleichgearteten Gesinnung der gesamten Bevölkerung wert, erst recht auch solcher, die am Hebel des wirtschaftlichen Geschehens sitzen und durch gut geplante Aktionen helfen könnten. Wer aber noch den Namen eines

Christen aus gläubiger Verantwortung trägt, wird um die Auszeichnung und zugleich um das Gewicht des Wortes Christi wissen: „Was ihr einem von den geringsten Meiner Brüder tut, habt ihr Mir getan.“

So bitte ich die Partner weittragender Entscheidungen neuerdings, alle Kräfte guten Willens zu vereinen, damit ehebaldigst und energisch, aber mit Verständnis und Herz eine Krisensituation bereinigt werde.

Graz, zum Fest der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, 1967.

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