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Heilmittel der Seele

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Die pessimistischen Thesen von einem gleichgültigen oder bösen oder gar keinem Geist hinter dem Universum, wie sie der Mensch denkt, der Schmerz und Tod erlebt, bringen ein anderes Problem hervor: Wie konnten in einer Welt, in der es noch keine Narkose gab, die große Religionen mit ihrem gütigen Schöpfer entstehen? Nach dieser Frage im ersten der zehn Kapitel über den Schmerz, die Lewis um 1940 schrieb und die nun als Lizenzausgabe des J. Hegner Verlages in die Herderraschenbuchreihe übernommen wird, breitet er die wichtige Erkenntnis vor uns aus, daß es ein Problem des Schmerzes nur für den gläubigen Christen gebe, der durch den Schmerz in der Welt in seinen: Glauben an Gottes Liebe schwankend gemacht, Zweifler an Seiner Güte und Allmacht werden kann. Diese Eigenschaften Gottes werden daher untersucht und ebenso die „menschliche Bosheit“ und ihre Ursache, der Sündenfall. Auf diesem Hintergrund erscheint dann in weiteren Kapiteln der Schmerz als ein Heilmittel der Seele, die Hölle dagegen als „unbeschreitbarer Ausweg“. Den Beschluß macht ein Kapitel über den Himmel, nachdem dort, wo vom Leiden der Tiere die Rede, Unsterblichkeit bewußtseinsloser Wesen als sinnlos erkannt wurde.

In so krasser Verkürzung läßt der Inhalt dieses ungemein fesselnd geschriebenen, wahrhaft geistreichen Werkes nichts von der wunderbaren Fülle und Einzigartigkeit ahnen, die ihm eignet. Der Sprachkunst des Autors, von Josef Pieper in einem Nachwort mit Recht gerühmt, gelingt es, schwierigste Gedankengänge so zu formulieren, daß sie nicht nur verstanden werden, sondern auch überzeugen. Überzeugen, fast schon im religiösen Sinne verstanden, möchte man sagen. Der nachdenkliche Atheist wird vielleicht in solchem Gewände Gläubigkeit als eine Realität des menschlichen Denkens begreifen und anerkennen können. Des Autors eigene atheistische Vergangenheit mag dabei nicht gleichgültig sein. Aus ihr heraus entsteht bei fast jedem Problem, das zur Sprache kommt, die gegensätzliche Einstellung von gläubig und ungläubig wie von selbst. Lewis sind alle Einwürfe gegen den Glauben bekannt. Er hat sie zu Stufen zum eigenen Glauben umgebildet. Über manche seiner Meinungen, wie die, daß die Menschen auch gegen ihren Willen erlöst würden, daß Gott die, welche keine Vergebung ihrer Sünden wünschen, einfach gewähren läßt, mag der solchen Denkens ungewohnte Leser hier in dieser Besprechung sich verwundern, im Buche erscheinen sie ihm selbstverständlich und zwingen ihn zum Nachdenken über etwas, worüber er vielleicht noch nie nachgedacht. Unzählige wundervolle Bemerkungen in diesem Buch lassen uns, wie nicht leicht anderswo, fühlen, daß eine Philosophie des Glaubens mit der gleichen Logik doch noch in größere Tiefe des menschlichen Inneren zu loten vermag als eine Philosophie des Unglaubens. Man muß das Buch, in dessen letztem Kapitel, über den Himmel, der Autor sich als ein Dichter erweist, besitzen.

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