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Katholische „Weltliteratur"?
Man kann sich fragen, ob es sie gibt, ob sie schon eine Realität ist oder noch eine Illusion, ein Postulat, ein Wunschgebilde, etwas reichlich früh Vorweggenommenes. Nun, wir sind auf dem Weg zu ihr, aber mindestens heute ist sie noch ein sehr fragmentarisches und begrenztes Gebilde und besteht eigentlich erst in der Kommunikation von drei oder vier europäischen Nationalliteraturen mit dem nordamerikanisch-kanadischen Literaturbereich. Denn drei Kontinente fallen für uns aus, und was hinter dem Eisernen Vorhang liegt, kommt nicht mehr in Betracht. Wir haben auch Terrain verloren. Die einst blühende, weithin spezifisch katholische tschechische und polnische Literatur ist verdorrt, Lateinamerika dämmert dahin, und die alte fruchtbare romanische Zone Europas hat kein erhebliches Gewicht mehr. Skandinavien aber ist für uns seit fünfzig Jahren nur ganz ephemer ergiebig. Nur im deutschen, französischen und. englischen Sprachraum findet man Leben, Bewegung, eine Fülle von Talenten, ein Hin und Her über die Grenzen, Austausch, Anregung, Einfluß. Das Zentrum ist ausgesprochen nordwesteuropäischnordamerikanisch, und das heißt: mit Ausnahme von Frankreich, Belgien,
Österreich und einigen Teilen Deutschlands blüht katholische Literatur jetzt nicht mehr in den alten katholischen Stammlanden, sondern im protestantischpuritanisch-anglikanischen Raum, in einer katholischen Diaspora. Wir wachsen auf „fremdem“ Boden, und unsere „autochthonen“ Felder liegen brach. Zudem ist Frankreich heute „Missionsland", und Deutschland und Österreich könnten es sein. Italien steht zwar vor der Tür, aber es ist eine Frage, ob der Aufbruch im Süden unter katholischen Vorzeichen vor sich geht.
Das erhellt zum Teil die erstaunliche Tatsache, daß unsere besten Leute von Namen und Rang nicht immer Katholiken waren, sondern übergetretene und Zurückgekommene, Konvertiten und Rever- titen. Es gibt bedeutende Ausnahmen, zum Beispiel Bernanos, Mauriac, die bedeutenden Flamen Gezelle und Ver- schaeve, aber die Reihe der zurüpk- bekehrten Apostaten und Andersgläubigen ist unabsehbar geworden und von instruktiver Deutlichkeit. Der Vorgang begann mit dem Ausbruch aus dem katholischen Ghetto um die Jahrhundertwende mit Claudel und Bloy, dem immer wieder zögernden Pėguy, mit Jörgensen, Chesterton und Papini. Dann folgten die
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