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Pfarrer und Heiliger

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DER PFARRER VON ARS. Von Bruce Marshail. Verlag Jakob Hegner, Köln und Olten. 98 Seiten

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DER PFARRER VON ARS. Von Bruce Marshail. Verlag Jakob Hegner, Köln und Olten. 98 Seiten

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Einfacher, als Bruce Marshall es tut, könnte man das Leben und Wirken des Pfarrers von Ars nicht erzählen; aber auch nicht bewegender und verpflichtender für den Leser. Da steht er ganz lebendig vor uns: der schlichte, einfältige Mann, dessen geistige Gaben nicht ausreichen, um die theologischen Prüfungen ohne Zwischenfälle zu bestehen, und dem auch nach der Priesterweihe von seinen Oberen die Erlaubnis zur Abnahme der Beichte noch einige Monate vorenthalten wird; ihm, zu dem später Tausende von Beichtkindern aus ganz Frankreich und aller Welt pilgern, der ein Heiliger war, dem Gott kraft seiner unsäglichen Demut die Macht schenkte, Wunder zu wirken und die Grenzen von Raum und Zeit aufzuheben.

Bruce Marshall berichtet von diesen Geschehnissen ohne Pathos, ohne die Sentimentalität jener Hagiographien alten Stils, die der moderne Mensch so schwer verdauen kann. Er vermeidet anderseits aber auch jedes billige Zugeständnis an den rationalistischen Geist unserer Zeit und spricht ebenso schlicht wie eindeutig von Dingen, die dem „aufgeklärten“ Leser wahrscheinlich ein Stein des Anstoßes sind. Kein fanatischer Sittenprediger heute wagte von seinem Publikum auch nur einen Bruchteil dessen zu fordern, was der Pfarrer von Ars seiner Gemeinde so selbstverständlich zumuten durfte, weil er für sich selbst und die ihm Anvertrauten die Verpflichtung der Nachfolge Christi auf Erden mit ihren schier unerträglichen Konsequenzen ganz ernst und unbedingt annahm. Bruce Marshall meint dazu:

„Vielleicht glaubt man noch immer, er sei zu weit gegangen. Wenn man mich denn endlich festnageln will: ich glaube es auch. Aber wenn wir seine Pfarrkinder in Ars gewesen wären, dann hätten wir ihm dennoch gehorcht, weil wir gewußt hätten, daß er ein Heiliger war, und daß die, die um Gottes willen alles aufgeben, klarer sehen als die, die sieben Achtel unerfüllt lassen. Sogar heutigentags würden wir ihm gehorchen: Man kann sich nicht über Bikinis mit einem Mann streiten, der ein härenes Büßerhemd trägt. Und ob wir ihm nun gehorchten oder nicht: Der Pfarrer hätte schon dafür gesorgt, daß wir es täten ...“

Das spürt auch der Leser dieses sehr unbequemen und doch so ergreifenden Buches. Er spürt, daß es hier nicht um etwas Vergangenes geht, sondern daß er selbst angerufen wird; daß der Weg der demüti gen Liebe auch uns aufgegeben ist, und daß wir an uns Forderungen zu stellen haben, die über das hinausgehen, was wir uns zuzumuten pflegen. Er spürt seine Armseligkeit und sein Versagen und fühlt sich doch bestärkt zu dem Versuch, es hinfort besser zu machen.

1959 werden es 100 Jahre sein, daß der Heilige von Ars diese Welt verließ. So erscheint diese Uebersetzung besonders rechtzeitig.

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