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„Alles vermeiden, was wie Kulturkampf aussieht"

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Am Samstag diskutiert das Liberale Forum sein Parteiprogramm. Einzelne Passagen, etwa über das Konkordat, sorgen für Aufregung. Zu Unrecht, wie Klubchef Friedhelm Frischenschlager meint.

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Am Samstag diskutiert das Liberale Forum sein Parteiprogramm. Einzelne Passagen, etwa über das Konkordat, sorgen für Aufregung. Zu Unrecht, wie Klubchef Friedhelm Frischenschlager meint.

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diefurche: ÖVP-Klubobmann Neuser meint, es ist ein linkes und kein liberales Programm Trifft Sie das?

Frischenschlager: Nein, das ist

lächerlich und extrem unseriös. Neisser konnte das Programm nicht kennen. Uns geht es mit links-rechts so wie den meisten, es fängt damit niemand mehr etwas an. Wir wollen, daß Bewegung in den gesellschaftlichen Bereich kommt - ausgehend von der Freiheit und der Eigenverantwortung. Die vier Hauptkapitel und die Stoßrichtung des Programmes sind Freiheit, offene Gesellschaft, Ökologie und Europa.

dieFurche: Historisch gesehen haben die Parteien in Osterreich drei Wurzeln- politischen Katholizismus, Liberalismus, Sozialdemokratie. Wie würden Sie das liberale Programm einordnen? frischenschiager: Da muß ich jetzt differenzieren. Natürlich stehen wir in der guten Tradition des österreichischen Liberalismus, beginnend mit 1848 bis zur Bundesverfassung 1920. Womit wir gebrochen haben, ist das Lagerdenken, das ein Grundübel ist - und Ursache für viele negative Dinge bis hin zur großen Koalition als Regierungsmonopol. Wir sehen uns daher nicht als Partei des „Dritten Lagers".

diefurche: Das Liberale Forum stellt das Konkordat in Frage - prin-

zipiell oder nur einzelne Punkte? Frischenschi a-ger: Wir haben nichts Grundsätzliches gegen einen Vertrag Kirche-Staat, nur halten wir ihn für etwas Überdenkbares. Wir wollen eine Gleichbehandlung aller Kirchen. Wir wollen keine Kirche als übergeordnete Instanz. Es geht nicht darum, der Kirche den Mund zu verbieten - im Gegenteil. Aber wenn sie sich positioniert, hat sie sich auch der Debatte zu stellen.

diefurche: Also hat die Kirche das Recht, zu politischen Fragen Stellung zu nehmen?

frischenschlager: Natürlich.

DIF.FüRCHE: Beansprucht die Politik, sich jetzt auch in kirchliche Angelegenheiten einzumengen?

frischenschlager: Nein. Wir haben zwar im Programm einen Satz, wonach wir auch von den Kirchen erwarten, daß sie ihren Mitgliedern ein Höchstmaß an Mitsprache und Meinungsfreiheit einräumen. Aber wir anerkennen, wenn die Kirche sagt, die freie Volkswahl für das Bischofsamt kommt nicht in Frage.

diefurche: Die Punkte, die Sie genannt haben, betreffen aber nicht unbedingt das Konkordat... frischenschlager: Da geht es etwa um die Frage der Theologischen Fakultäten und die Schulpolitik. Das wollen wir zumindest debattieren.

diefurche: Sie stellen die Theologischen Fakultäten in Frage? frischenschlager: Nein. Wir meinen nur, die Theologischen Fakultäten sollten im Rahmen unserer Universitäten gleichbehandelt werden — bei der Professorenberufung.

diefurche: Daß die Kirche kein Veto mehr einlegen kann?

frischenschlager: Wenn es eine staatliche Universität ist, soll die Kirche keine Vorrechte haben. Im Schulwesen wollen wir eine Gleichbehandlung aller Privatschulen.

diefurche: Das ist wohl aber kein Casus belli

frischenschiager: Nein. Wir wollen alles vermeiden, was wie Kulturkampf aussieht.

diefurche: Bischof Krätzl hat gemeint, eigentlich müßte es Anliegen der Liberalen sein, nicht den Religionsunterricht abzuschaffen, sondern dafür zu sorgen, daß alle einen Ethikunterricht bekommen Könnte man sich auf dieser Ebene treffen* frischenschiager: Auf jeden Fall. Ich kann mir vorstellen, daß der konfessionelle Religionsunterricht als Freigegenstand geführt wird -und der übergeordnete „Ethik-Unterricht" verpflichtend.

diefurche: In Ihrem Programm fordern Sie Abtreibung auf Staatskosten? frischenschiager: Nein, diese Uberschrift im „Profil" ist erfunden. Im Konflikt zwischen dem Recht des Ungeborenen und dem der Frau sehen wir die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der gesetzlichen Fristen als tragbaren Kompromiß. Wir sagen, der Schwangerschaftsabbruch ist im Prinzip etwas Negatives. Wir sagen aber auch, daß es in sozialen Notfällen eine Kostenübernahme rasch, unbürokratisch und unter Wahrung der Anonymität durfch die öffentliche Hand geben sollte. Das bedeutet nicht Abtreibung auf Staatskosten.

Mit Friedhelm Frischenschlager

sprachen Heiner Boberski

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