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Bei Sinowatz fällt das Ja nicht schwer

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„Zu den unheimlichsten Phänomenen menschlicher Geistesgeschichte gehört das Ausweichen vor dem Konkreten“, liest man bei Elias Canetti. Er muß nicht gleich das Koalitionsabkommen der Regierung Sinowatz/Steger damit gemeint haben, und man muß dieser ja auch nicht gleich unterstellen, daß sie menschliche Geistesgeschichte schreiben möchte.

Sie will vier, nein: acht Jahre regieren. Für das genauere Wie muß man ihr fairerweise zumindest noch bis zur Abgabe der Regierungserklärung Zeit geben. Und auch darüber hinaus darf sie auf einen Vorschuß an loyaler Erwartung bauen. Wo fällt dieser am leichtesten?

Vielen wohl bei Fred Sinowatz. Der neue Bundeskanzler ist ein untadeliger Demokrat, ein gerader Charakter und über den Si- mandl-Ruf erhaben, den man ihm in den letzten Wochen anzuhängen suchte. Er wird die Zügel schon in die Hand nehmen. Mit dem Beharren auf den Einzug Heinz Fischers und Karl Blechas ins Kabinett hat er klargestellt, daß er eingebundene Mitverantwortung dem Durchwursteln mit> Parteinebenregierungen vorzieht.

Fischer wie Blecha werden übrigens die Regierung mit Substanz bereichern, der neue Unterrichtsminister Helmut Zilk auf seine, sehr eigenständige Weise auch. Schwer verständlich vom SPO-Standpunkt aus ist nur, wie Bürgermeister Gratz Zilk aus dem Rathaus ziehen lassen konnte. Die Wiener ÖVP, so hört man, brennt schon Dankkerzen ab.

Am schwersten fällt der Vertrauensvorschuß bei Justizminister Ofner. Er hat ein Verfahren am Hals und einen Ruf im Nak- ken, der zum Abwarten rät. Was immer man von der Politik Christian Brodas halten mochte: Sie war zielstrebig und konsequent. Die Linie Harald Ofners scheint dies auch zu sein — in völlig andere Richtung freilich zielend.

Der bedenkenlose Opportunismus, mit dem die SPÖ dieses Zentralressort aus der Hand gibt, irritiert aufrechte Sozialdemokraten — und nicht nur diese.

Die übrige FPÖ-Riege sei nicht vorschnell abgetan. Nur: Für eine Partei, die bisher vorgab, fachliche Eignung turmhoch übers Parteibuch zu stellen, gab es plötzlich erstaunlich viele Parteibuchträger, die einige Tage lang für gleich zwei, drei Ämter bestgeeignet schienen.

Friedrich Peter verzichtete auf das ihm zugedachte freiwillig. Wer das von ihm erbeten hatte, muß es ihm nun danken. Er hat der Republik damit gedient.

Sein Schritt war, so darf man hoffen, Ergebnis einer Einsicht. „Menschenjagd“ und „Medienjustiz“ sind Ein- und Ausreden. Wenn’s ein Kompromiß zwischen Einsicht und Einrede war, sei’s auch noch akzeptiert. Schon, damit man sich von Norbert Steger nicht „faschistoider“ Kompro- mißverteufler heißen lassen muß.

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