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Die Räumung einer Festung
Zu Beginn dieses Jahres habe ich im Rahmen meiner Kolumne auf die symbolisch anmutende Umwandlung eines Ottakringer Gasthauses „Zum Knebl", in dem im Februar 1919 der erste Parteitag der KPÖ stattfand, in ein chinesisches Lokal aufmerksam gemacht (FURCHE 2/ 1992).
Vergangene Woche folgte dieser symbolischen Liquidierung einer historischen Stätte die nicht mehr bloß symbolische, sondern durchaus reale Räumung des kommunistischen Zentralgebäudes am Höchstädtplatz in der Brigittenau, die noch wie eine letzte Bastion und Trutzburg aus besseren Zeiten in eine dem Kommunismus immer abgeneigtere Gegenwart hereinragte.
Der Abschied von der KP-Zentrale und dem langjährigen „Volksstimme"-Haus wurde in einer Art Galgenhumor mit einem künstlerischen Fest, gefeiert.
Um eine Brücke zwischen dem Ottakringer Gasthaus und der Festung in der Brigittenau zu schlagen: Nur wenige derer, die 1919 Männer und Frauen der ersten Stunden waren, haben oder hätten eine Chance gehabt, in das Gebäude am Höchstädtplatz oder in das des Wasagym-nasiums, in dem das Zentralkomitee der KPÖ während der Besatzungszeit untergebracht war, einzuziehen.
Von den Dutzenden Teilnehmern des ersten Parteitages, die das Protokoll ausweist, sind viele den Säuberungen Stalins zum Opfer gefallen, der Parteiführer Franz Koritschoner wurde sogar, wie viele andere, im Zeichen der Zusammenarbeit Hitler-Stalin der Gestapo ausgeliefert.
Andere, wie die Parteigründerin Elfriede Friedländer, die sich später Ruth Fischer nannte, wurden fanatische Antikommu-nisten. Die Geschichte der KPÖ bietet, wie die anderer kommunistischer Parteien, ein Bild der Selbstzerfieischung, wie es kaum irgendwo sonst in der Geschichte anzutreffen ist.
Freilich gibt es im Rahmen dieser Geschichte auch viele Blutopfer des Widerstandes im Kampf gegen den Nationalsozialismus, vor denen man sich in Ehrfurcht verneigen muß.
Doch auch diese Blutzeugen waren, ohne es zu wissen, Schachbrettfiguren eines zynischen stalinistischen Machtkalküls: zum Teil wurden bereits im Ausland und damit in Sicherheit befindliche Kommunisten von der Führung, die sich in Moskau bedeckt hielt, nach Österreich zurückbeordert und für das Martyrium reserviert.
Es kommt nicht von ungefähr, daß die kommunistische Partei Österreichs, die als Sekte begonnen hat, auch als solche endet oder dahinsiecht, und zum Unterschied von 1919 haben die versprengten Reste von heute nicht mehr die tröstliche Perspektive, erste Schwalben der Weltrevolution zu sein.
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