Benedikt XVI.: Keine Voraussetzung für ein "santo subito "

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Am 16. April wäre Joseph Ratzinger 96 Jahre alt geworden. Als Benedikt XVI. zum Jahreswechsel starb, gab es Rufe nach einer schnellen Heiligsprechung. Dazu besteht kein Anlass. Ein Gastkommentar.

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Am 16. April wäre Joseph Ratzinger 96 Jahre alt geworden. Als Benedikt XVI. zum Jahreswechsel starb, gab es Rufe nach einer schnellen Heiligsprechung. Dazu besteht kein Anlass. Ein Gastkommentar.

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Benedikt XVI. war ein kluger, wortgewandter Theologe und Schöngeist. Alle, die ihn näher kannten, beschreiben ihn als liebenswürdigen, bescheidenen, ja sanften Mann. Er mag ein frommer und in den letzten Lebensjahren im Gebet versunkener Priester gewesen sein. Aber die kritische Frage stellt sich, ob das ausreicht, ihn in das Register der Heiligen der Kirche aufzunehmen.

Im Grunde ist dieser brillante Denker und Theologe kulturell und politisch in der Rolle als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst gescheitert. Er hat bei seinem Rücktritt 2013 die Kirche jedenfalls in einem schlechteren Zustand übergeben als zum Zeitpunkt seiner Ankunft im Vatikan als Kardinalpräfekt im Jahr 1982: In (West-)Europa erleben wir eine so noch nie dagewesene Abstimmung der Gläubigen mit den Füßen raus aus der katholischen Kirche. In anderen Regionen ist es nicht besser: In Lateinamerika wachsen die evangelikalen Kirchen dem traditionellen Katholizismus über den Kopf; Aufbrüche, wie die Option für die Armen in einer Theologie der Befreiung, sind von Kardinal Ratzinger gründlich unterdrückt worden. In Afrika haben Johannes Paul II. und Benedikt XVI., mit ihrer strikten Weigerung, Kondome als Mittel der sexuellen Verhütung und damit auch als Schutz vor Ansteckung mit HIV/Aids zu erlauben, zum Tod hunderttausender Menschen mit beigetragen.

Vatikan blieb ein „Männerbund“

Gescheitert ist Benedikt XVI. daran, dass er weder im Denken noch im Handeln aus dem „Männerbund“ des Vatikans ausgebrochen ist: Diese Versammlung alter Männer ist in ihrer Binnensicht nicht in der Lage, die Gegebenheiten und Veränderungen in der Welt außerhalb der Mauern des Vatikans zu dechiffrieren. Am schwerwiegendsten ist wohl die Frage, wie diese Kirchenleitung zu einem der Komplexität der Gegebenheiten entsprechenden Sitz im Leben finden kann, wenn sie zur Gänze (!!) auf die Hälfte der Menschen, nämlich die Frauen, verzichtet. Das Frauenpriestertum wäre nicht allein eine Selbstverständlichkeit der Geschlechtergerechtigkeit im Sinne einer Inklusion in Führungs- und Leitungsfunktionen. Mindestens so wichtig ist aber der Umstand, dass Lebenserfahrungen von Frauen keinen Eingang in ein zeitgemäßes theologisches Verständnis von Glauben und Religion finden.

Der kuriale Männerbund hat die Verheiratung von Priestern verschlafen. Das führt im Kern zu diesem ausschließlich auf Männer konzentrierten „Klerikalismus“, der sowohl das Weibliche als auch das Sexuelle aus dem Priesterleben verdrängt. Die zölibatäre Lebenshaltung kippt zwar nicht zwingend, aber trotzdem nicht selten in ein deformiertes Verhalten der erzwungenen Unreife, was im Extremfall bis zum Kindesmissbrauch führen kann.

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