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Drei Doppelbetten
Die von Sensationen verschiedener Art in Anspruch genommene Weltöffentlichkeit hat noch kaum zur Kenntnis genommen, daß jenseits des nördlichen Polarkreises ein Spannungsraum entstanden ist, der sich sehr rasch zu einem Brennpunkt strategischer Überlegungen und Operationen entwickeln könnte. Wir meinen das Landgebiet nördlich des 66. Breitengrades und die Eismeerstraße zwischen der Nordflanke Norwegens und Spitzbergen, die in den letzten sechs Monaten sowohl von westlicher als auch von sowjetischer Seite schärfer beobachtet worden ist als jemals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Die von Sensationen verschiedener Art in Anspruch genommene Weltöffentlichkeit hat noch kaum zur Kenntnis genommen, daß jenseits des nördlichen Polarkreises ein Spannungsraum entstanden ist, der sich sehr rasch zu einem Brennpunkt strategischer Überlegungen und Operationen entwickeln könnte. Wir meinen das Landgebiet nördlich des 66. Breitengrades und die Eismeerstraße zwischen der Nordflanke Norwegens und Spitzbergen, die in den letzten sechs Monaten sowohl von westlicher als auch von sowjetischer Seite schärfer beobachtet worden ist als jemals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Es ist unverkennbar, daß dieses riesige Gebiet zwischen dem 70. und 80. Breitengrad seit dem Beginn des dritten britisch-isländischen Fischereikrieges und seit dem Anwachsen der antibritischen und antiamerikanischen Stimmungen auf Island, Grönland und den Faeröern an Bedeutung nur noch zugenommen hat „Die nördliche Flanke der NATO ist heute wichtiger als je zuvor! Die Nordflanke ist die größte Sorge der Allianz! Jede Verstärkung unserer Position dort muß willkommen sein!“ Solche und ähnliche Feststellungen hoher NATO-Offiziere konnte man in der letzten Zeit immer wieder hören.
Es sind vor allem drei Vorfälle, die alarmierend wirken und die hier erwähnt werden müssen, auch auf die Gefahr hin, daß man bereits Bekanntes wiederholt:
• Vor etwa Jahresfrist schon hat — so behaupten konservative Zeitungen — auf der Hauptinsel Spitzbergens eine kombinierte sowjetische Militärübung stattgefunden, die zivil getarnt war und deren Zweck es war, die Haltung der norwegischen Behörden zu erforschen. An dieser Übung sollen Transportflugzeuge, Hubschrauber und geländegängige Kettenfahrzeuge beteiligt gewesen sein.
• Einige Zeit später kam es zu
ähnlichen russischen Bewegungen rund um den kleinen Flugplatz Ny-Alesund, an denen abermals russische Hubschrauber beteiligt waren, wobei eine Art von Landeoperation durchgeführt wurde. Da es dabei auch zu einer Störung des norwegischen Flugverkehrs kam, war dieser Vorfall Gegenstand langwieriger Diskussionen und Verhandlungen zwischen norwegischen und russischen Behörden.
• Zu einem sehr delikaten Konflikt kam es erst in den letzten Wochen wegen des Aufenthaltsrechtes sowjetischer Bürger in der Nähe des neueröffneten Flugplatzes Longye-arbyen. Dort kamen während der letzten Weihnachtstage die Frauen dreier russischer Beamter an, die sich im Quartier der Aeroflot-Ange-stellten häuslich und anscheinend für lange Zeit einrichteten, was zweifellos getroffenen Abmachungen widersprach und auf Spitzbergen — und bald auch im übrigen Norwegen — zu scharfen Protesten führte. Der Anlaß mag unwichtig erscheinen, hat jedoch gerade für Spitzbergen und die norwegischen Behörden eine große grundsätzliche Bedeutung.
Man muß wissen, daß die Unterbringungsmöglichkeiten auf Spitzbergen äußerst beschränkt sind und daß der Zuzug von Frauen deshalb
streng untersagt ist. Alle männlichen Beschäftigten sind in kleinen Einbettzimmerchen untergebracht, die zwei Personen keinen Platz bieten können. Auch die Versorgungsmöglichkeiten sind oft sehr schwierig. Läßt man die Einquartierung von Frauen zu, dann muß das zu ähnlichen Forderungen von norwegischer Seite führen. Für die Norweger aber ging es gleichzeitig auch darum, festzustellen, ob es noch möglich war, die Russen zur Einhaltung der norwegischen Aufenthaltsbestimmungen zu zwingen oder ob die Sowjets eine eigene „Hausordnung“ durchsetzen wollten.
Alle drei Vorfälle werden In der Presse und im Parlament ausführlich und oft ziemlich erregt diskutiert. Das Resultat der Verhandlungen wurde dabei als ein Prüfstein für das Verhalten der Sowjetunion im Eismeergebiet bezeichnet. Vorfall Nummer eins wurde dabei — nach monatelangem Zögern — von Regierungsseite als eine durch schlechte Wetterverhältnisse erzwungene Hilfs- und Rettungsaktion zugunsten einer Flugzeugbesatzung bezeichnet. Vorfall Nummer zwei als eine Nachlässigkeit von russischer Seite, die eine Luftoperation zu spät gemeldet haben soll. Und der Vorfall Nummer drei wurde schließlich am 9. April in Oslo durch die Unterzeichnung eines Protokolls beendet. Die russischen Frauen werden spätestens am 1. Juni Spitzbergen verlassen müssen. Außerdem ist die Zahl der russischen Luftfahrtbeamten auf Longyearbyen auf sieben beschränkt worden, von denen nur der Stationschef über eine Familienwohnung verfügen darf.
Die Norweger hatten von Anfang an den Verdacht, daß die Russinnen ganz bestimmte Aufgaben auf Spitzbergen hatten und eine wichtige Verstärkung der sowjetischen Beobachtungstruppe darstellten. Nun hat man durchgesetzt, daß beim neuerlichen Eintreffen einer Frau — unter welchem Vorwand immer — sofort einer der männlichen Beamten Longyearbyen verlassen muß.
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